8. November 2012

Die Rolle der Siebenbürger Sachsen gestern – heute – morgen

Auf Einladung der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft hielt der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Bernd Fabritius, am 12. Oktober im Vortragssaal der Volkshochschule in Paderborn einen Vortrag mit anschließender Diskussion über „Das Eigenverständnis und die Rolle der Siebenbürger Sachsen, gestern – heute – morgen!“. Unter den Zuhörern befanden sich neben interessierten Bürgern aus Paderborn und Umgebung auch in Deutschland lebende Rumänen, Vertreter des Generalkonsulates in Bonn sowie sächsische Landsleute aus Nordrhein-Westfalen.
Im historischen Teil seines Vortrags skizzierte Fabritius die Geschichte der Siebenbürger Sachsen in Grundzügen, von ihrer Ansiedlung in Siebenbürgen über die Entwicklung zur Nationsuniversität, deren Untergang, die Auswirkungen des Ersten und insbesondere des Zweiten Weltkriegs auf ihre Gemeinschaft, den zunehmenden Assimilierungsdruck aufgrund des wachsenden Nationalismus im kommunistischen Rumänien bis hin zum Zusammenbruch des Kommunismus 1989 und dem Massenexodus der Deutschen aus Rumänien.

Der Referent warf die Frage nach der Rolle der Deutschen in und aus Rumänien für die bilateralen, deutsch-rumänischen Beziehungen auf. Dazu habe er jüngst im Deutschen Bundestag Stellung genommen in einer Konferenz anlässlich des seit 20 Jahren bestehenden deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages (siehe „20 Jahre deutsch-rumänischer Freundschaftsvertrag: Konferenz in Berlin“). Der Bundesvorsitzende leitete eine „Sonderkompetenz als Brückenbauer“ ab aus den im Zusammenleben mit den anderen Ethnien auf dem Gebiet Siebenbürgens, mit Rumänen, Ungarn, Sinti und Roma geübten gutnachbarschaftlichen Beziehungen. Die deutsche Minderheit Rumäniens verfüge in dieser Hinsicht sogar über ein „Alleinstellungsmerkmal in Osteuropa“.

Befremdend wirkten im heutigen Rumänien „die Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte, die Volatilität politischer Strukturen, die fehlende Transparenz relevanter Entscheidungsprozesse und die Widersprüchlichkeit zwischen Sagen und Handeln“. Der Jurist äußerte den Wunsch, Rumänien möge im Zuge der laufenden Verfassungsdebatte auch eine Neufassung von Artikel 1 erwägen, „nationale Vereinheitlichung“ entfernen und stattdessen „die ethnische Vielfalt des Landes als Chance in einem vereinten Europa verstehen und nutzen“.

Die Siebenbürger Sachsen in Deutschland hätten sich zum Ziel gesetzt, ihre Gemeinschaft fortzuführen. Wie Bernd Fabritius in seinem Vortrag ausführte, wolle man „durch intensive Kinder- und Jugendarbeit Integration fördern und Assimilation – nun in Deutschland – entgegenwirken“. Es gelte eine Alternative zur Orientierungslosigkeit in einer globalisierten Welt zu bieten: „Wir wollen unseren Landsleuten eine emotionale Heimat schaffen, wenn diese in Siebenbürgen aufgegeben wurde – oder werden musste. Wir wollen die uns eigene kulturelle Identität, die wir als Deutsche in Siebenbürgen erfahren haben, an unsere junge Generation weiter vermitteln.“

Der Bundesvorsitzende bündelte Ziele und Aufgaben für heute und morgen in den Schlagworten: „Identitätsvermittlung, Kulturgutsicherung, Integrationshilfe und Interessenvertretung – in Deutschland und in Rumänien“. Die „Klammer der Zusammengehörigkeit“ erschöpfe sich nicht in einem in der Vergangenheit liegenden historischen Ereignis (der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg), sondern sei weiter gefasst und landsmannschaftlich begründet. Dies schließe grenzüberschreitend alle Siebenbürger Sachsen ein und sei „unsere Zukunftsgarantie“.

Siebenbürgen freilich – und damit auch Rumänien gehöre zu unserer Vergangenheit, sei „Teil unserer Entstehungsgeschichte und damit unserer Identität“. Rumänien gehöre infolgedessen auch zu unserer Gegenwart und zu unserer Zukunft, stellte Dr. Bernd Fabritius fest.

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland verfolge mit dem Dialog mit Rumänien „nicht nur eine effektive Interessenvertretung für alle Landsleute, sondern einen modernen europäischen Ansatz, er baut Brücken der Verständigung, die für eine weitere Entwicklung unseres gemeinsamen Hauses Europa unerlässlich sind“.

Christian Schoger


Gesamte Vortrag (pdf): Das Eigenverständnis und die Rolle der Siebenbürger Sachsen, gestern – heute – morgen!

Schlagwörter: Vortrag, Paderborn, Fabritius, Rumänien, Siebenbürgen

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Neueste Kommentare

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  • 08.11.2012, 16:26 Uhr von Fabritius: Hallo Bankban. Danke für den konstruktiven Kommentar, ich nutze gleich die Gelegenheit zu zwei ... [weiter]
  • 08.11.2012, 15:00 Uhr von bankban: Ein interessanter Vortrag, der hochkomplexe und spannende Aspekte sowie Fragen aufwirft und ... [weiter]

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