21. Mai 2018

Herta Daniel: Die siebenbürgisch-sächsische Identität in die Zukunft tragen

In ihrer Festrede beim 68. Heimattag in Dinkelsbühl hat die Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Herta Daniel, die Entschlossenheit ihrer Landsleute bekräftigt, die siebenbürgisch-sächsische Kultur im Sinne des diesjährigen Mottos „Kultur schafft Heimat und Zukunft“ weiterzuführen. Die Bundesvorsitzende zeigte sich besorgt um die derzeitige politische Lange in Rumänien und rief die deutschen und europäischen Politiker auf, Staatspräsident Klaus Johannis den Rücken zu stärken. Der Staatschef sei ein „Garant, dass die Entfernungs-Tendenz Rumäniens von der europäischen Wertegemeinschaft gestoppt werde“. Herta Daniel forderte die Bundesregierung in Berlin auf, die im Regierungsprogramm der CDU/CSU angekündigte Benachteiligung der Spätaussiedler im Rentenrecht zu beseitigen und dadurch die drohende Altersarmut dieses Personenkreises abzuwenden. Dreitausend Trachtenträger nahmen am Festumzug durch die mittelterlichen Straßen der Stadt Dinkelsbühl teil, weit über 20.000 Besucher kamen trotz leichten Regens zu einem sehr gelungenen Pfingstfest zusammen. Die Festansprache der Bundesvorsitzenden wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Sehr geehrte Ehrengäste,
liebe Freunde der Siebenbürger Sachsen,
liebe Landsleute!


Frohe Pfingsten! Ich freue mich, dass Sie hergekommen sind, um unseren Heimattag 2018 mit uns zu verbringen. Ich begrüße ganz herzlich unsere Ehrengäste: Armin Laschet, Ministerpräsident unseres Patenlandes Nordrhein-Westfalen, Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Christoph Hammer, Oberbürgermeister der Stadt Dinkelsbühl, sowie alle Mitglieder des Stadtrates unserer Partnerstadt, stellvertretend für alle Bürger dieser Stadt, verbunden mit einem herzlichen Dank, dass Sie den Schalter für die Sonne angemacht haben.

Ich begrüße den Botschafter Rumäniens Emil Hurezeanu und die anwesenden Vertreter der Politik, Norbert Kartmann, unseren Landsmann und Präsident des Hessischen Landtags, Manuel Westphal, Mitglied des bayerischen Landtags, Jürgen Ludwig, Landrat des Landkreises Ansbach, Richard Bartsch, Bezirktagspräsident von Mittelfranken, Hans E. Tischler, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, Dipl.-Ing. Michael Schmidt, Präsident und Gründer der gleichnamigen Stiftung, die Vertreter des Bundes der Vertriebenen in Bayern, Pfarrer Dr. Stefan Cosoroabă, Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Prof. Dr. Berthold Köber, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD, Ilse Welther, Vorsitzende des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften.

Als Vertreter der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen begrüße ich Monica Weber, Stellvertretende Vorsitzende der Alliance of Transylvanian Saxons in den USA, Rebecca Horedt, Vorstandsmitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, Prof. Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Konsulent Manfred Schuller, Bundesvorsitzender des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich. Ich begrüße Reinhold Sauer, Vorsitzender der Carl Wolff Gesellschaft, unserer wirtschaftlichen Leistungsträger, die Vertreter aller anderen siebenbürgischen Organisationen und der Untergliederungen unseres Verbandes. Stellvertretend für alle begrüße ich Werner Kloos, Vorsitzender des mitausrichtenden Landesverbandes Bayern, und für die Jugend Dr. Andreas Roth.
Die Bundesvorsitzende Herta Daniel sprach am ...
Die Bundesvorsitzende Herta Daniel sprach am Pfingssonntag, dem 20. Mai 2018, zum ersten Mal bei der Kundgebung des Heimattages. Foto: Petra Reiner
Ich begrüße die rund 3.000 Trachtenträger, die uns dieses einmalige Erlebnis des imposanten Trachtenzugs auch heuer wieder ermöglicht haben! Dabei möchte ich eine Gruppe von Landsleuten besonders hervorheben: Es sind die Frauen und - vielleicht auch - Männer, die die Trachten gepflegt, bestickt, genäht, gereinigt, gewaschen, gestärkt oder gebügelt haben, so dass alle Teilnehmer des Trachtenumzugs sich strahlend präsentieren konnten!

Liebe Landsleute von nah und fern, ich heiße Sie alle, jeden Einzelnen von Ihnen, herzlich willkommen zu unserem Heimattag!

Motto des Heimattages

„Kultur schafft Heimat und Zukunft“ lautet das Motto unseres Heimattages 2018. Damit bringen wir den Begriff Heimat, der in jüngster Zeit in den Fokus unserer Gesellschaft gerückt ist, in den Vordergrund – genau wie 1951 am ersten Pfingsttreffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl, das auch im Zeichen der Heimat stand! Eng mit Heimat verbunden ist unsere Kultur, die zukunftweisend gestaltet werden muss!

Einsatz für Schloss Horneck

Das Motto des Heimattages 2018 ist nicht nur eine gedankliche Herausforderung an uns alle, es stellt eine Aufforderung dar, unsere kulturelle Identität in die Zukunft zu tragen und uns zu unserer Kultur und Wertegemeinschaft zu bekennen!

Dieses Bekenntnis legten auch all diejenigen ab, die es mit ihren Spenden ermöglichten, Schloss Horneck 2015 schuldenfrei zu erwerben und auch all diejenigen, die in ehrenamtlicher Arbeit ihr ganzes Können, ihre fachliche Kompetenz einsetzten und weiterhin einsetzen werden, um diesen Identifikationsort der Siebenbürger Sachsen zu erhalten! Stellvertretend für alle darf ich dem Vorsitzenden des Vereins Siebenbürgisches Kulturzentrum „Schloss Horneck“, Prof. Dr. Konrad Gündisch, herzlich danken!

Diese Eigenleistung der Siebenbürger Sachsen wurde durch die vom Deutschen Bundestag beschlossene Zuwendung von 1,9 Millionen Euro für den Um- und Ausbau von Schloss Horneck zum Siebenbürgischen Kultur- und Begegnungszentrum entsprechend den Förderrichtlinien der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) belohnt.

Groß war unsere Freude über den Anfang März dieses Jahres eingegangenen Zuwendungsbescheid, der für uns auch eine Verpflichtung darstellt, die Einheit unserer Gundelsheimer Kultureinrichtungen in Zukunft besser zu bewahren und Schloss Horneck als siebenbürgisches und internationales Kultur- und Begegnungszentrum zu neuem Leben zu erwecken!

Auch wenn unsere siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft sich durch die enorme Eigenleistung die Förderung redlich verdient hat, so will ich in unserem aller Namen ein herzliches Dankeschön an die Adresse der Bundesregierung sagen!

Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes

Wir können unsere kulturelle Verortung in der Bundesrepublik nur dann weiter ausbauen und langfristig sichern, wenn unserem Verband und den vielen ehrenamtlich Tätigen eine angemessene Kulturförderung zuteil wird. Diese Unterstützung zur Bewahrung unseres Kulturgutes (und Förderung der wissenschaftlichen Forschung) als Teil des gesamtdeutschen kulturellen Erbes ist in Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern übertragen.

An dieser Stelle danke ich unserem Patenland Nordrhein-Westfalen für die Unterstützung in der Vergangenheit und setze auf das Fortbestehen in der Zukunft! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet, Sie haben kurz nach Ihrem Amtsantritt, anlässlich des 60. Jahrestages der Patenschaftsübernahme des Landes NRW über die Siebenbürger Sachsen unser Wirken als wichtige Brückenbauer für das zusammenwachsende Europa in einer Pressemitteilung gewürdigt. Wir haben mit Aufmerksamkeit und Genugtuung Ihre Worte zur Kenntnis genommen, dass „die Partnerschaft des Landes mit den Siebenbürger Sachsen wieder mehr Aufmerksamkeit durch die Landesregierung“ verdiene. Das lässt uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken! Wenn wir diesen Gedanken nach dem Motto dieses Heimattages interpretieren, so schafft eine angemessene Förderung unserer Kultur Heimat und Zukunft nicht nur in NRW, sondern in ganz Deutschland insbesondere für die junge Generation!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Laschet, die angesprochene Aufmerksamkeit der Landesregierung NRW wurde uns bereits bei der Feier des erwähnten 60-jährigen Jubiläums im Landtag in Düsseldorf zuteil! Dafür danke ich herzlich!

Ich kann Ihnen heute zusagen, dass wir in Zukunft noch mehr und noch sichtbarer als Botschafter zwischen den Völkern auftreten werden. Wir werden die Fördermöglichkeiten grenzüberschreitender Zusammenarbeit im Sinne von Völkerverständigung in einem neuem Anlauf sichten und auf allen Gliederungsebenen, von der Brauchtumsgruppe über die Kreis- und Landesgruppen bis hin zum Bundesverband, unsere Aktivitäten diesbezüglich verstärken.

Deutsche zivile Zwangsarbeiter

Danke darf ich auch im Namen der betroffenen deutschen zivilen Zwangsarbeiter sagen, die in Form einer einmaligen Entschädigung eine längst überfällige und notwendige offizielle Anerkennung ihrer unsäglichen Leiden erfuhren, die weit über das allgemeine Kriegsfolgeschicksal hinausgingen.

Nehmen Sie, sehr geehrter Herr Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen, Dr. Bernd Fabritius, unseren Dank an das gesamte Kabinett der Regierung Merkel mit!

Siebenbürger Sachse als neuer Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung

Wir alle freuen uns sehr, dass dieses verantwortungsvolle Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten von einem Aussiedler, einem Vertreter aus dem Kreise der Betroffenen ausgefüllt wird! Dass es auch noch ein Siebenbürger Sachse sein durfte, macht uns stolz! Noch nie wurde ein Siebenbürger Sachse in ein so hohes Regierungsamt in Deutschland berufen! Diese Ernennung ist als Wertschätzung Ihres bisherigen Engagements zu verstehen.

Drohende Altersarmut bei Spätaussiedlern

Gestatten Sie nun, dass ich von dieser großen Freude zu einem Thema übergehe, dass viele unserer Landsleute nach wie vor bedrückt: Es ist die durch ungerechte Benachteiligungen im Rentenrecht verursachte, personenkreisspezifische Altersarmut bei Spät-/Aussiedlern! Die bekannten Änderungen der gesetzlichen Regelungen in der Vergangenheit haben eine Generationen-Ungerechtigkeit im Fremdrentenrecht gebracht!

Diese Kürzungen der Renten führten und führen weiterhin zu Minirenten unter dem Existenzminimum nach einem viele Jahrzehnte währenden Arbeitsleben! Und das, obwohl in den Reihen der Spätaussiedler mehr junge Rentenbeitragszahler nach Deutschland kamen als Rentner und die sozialen Sicherungssysteme stärkten und auf diese Art die deutsche Rentenkasse einen großen Überschuss durch die Spätaussiedler erhalten hat!

In dem Regierungsprogramm der CDU/CSU wurde angekündigt, Nachteile deutscher Spätaussiedler in der Rentenversicherung zu beseitigen. Leider konnte das so nicht in den aktuellen Koalitionsvertrag mit der SPD übernommen werden, der auf dieses Thema nur halbherzig am Rande eingeht!

Meine Damen und Herren, da besteht politischer Handlungsbedarf! Unser Verband fordert deshalb nach wie vor eine Aufhebung der Schlechterstellung der Spät-/Aussiedler-Renten und erwartet, dass die politischen Entscheidungsträger diese längst überfällige Aufgabe endlich erledigen und dadurch einen wohlverdienten, ohne von materiellen Sorgen gekennzeichneten Lebensabend auch für uns Spät-/Aussiedler ermöglichen!

Sorge um politische Lage in Rumänien

Sorge bereitet auch die derzeitige politische Situation in unserem Herkunfts- und Heimatland Rumänien. Allerdings wird Staatspräsident Klaus Johannis als ein Garant dafür wahrgenommen, dass die Entfernungs-Tendenz Rumäniens von der europäischen Wertegemeinschaft gestoppt wird! Das entspräche dem Wunsch eines großen Teiles der Bevölkerung Rumäniens. Es ist unabdingbar, dass zusätzlich zu unserem Verband das politische Deutschland, aber auch die europäische Ebene Klaus Johannis den Rücken stärkt und ihm für seine Standhaftigkeit die notwendige Unterstützung zusichert.

Restitution

Viele von uns haben erlebt, dass das Unrecht von einst, die im kommunistischen Rumänien erfolgte Enteignung, noch nicht ausreichend beseitigt wurde! Einiges wurde rückerstattet oder entschädigt, aber viele Anträge auf Restitution harren immer noch der Bearbeitung! Es sind zwar vor fast zwei Jahrzehnten Restitutionsgesetze verabschiedet worden, aber seitdem sind viele der Antragsteller in der Ungewissheit verstorben, ob der im Kommunismus widerrechtlich enteignete Besitz jemals wieder in die Hände der Familie, der rechtmäßigen Erben kommen wird!

Nicht unerwähnt bleiben sollen die Hilfestellungen des rumänischen Botschafters Emil Hurezeanu, der uns in dieser Angelegenheit unterstützte und dem ich ausdrücklich dafür danke!

In der zweiten Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung vom Juli 1950 lesen wir auf Seite 1: „Wir wissen nicht, wann das uns daheim Genommene wieder in unsere Hand zurückfällt.“ Wir schreiben nun das Jahr 2018. Ich frage, wann wird die Siebenbürgische Zeitung berichten können: „Wir wissen nun, dass uns das daheim Genommene vollständig wieder in unsere Hand zurückgefallen ist“?

Ich appelliere an den rumänischen Staat, dieses Unrecht aus der Vergangenheit restlos zu beseitigen!

Danksagung an deutsche Minderheit in Rumänien

Es geht uns dabei auch um den widerrechtlich enteigneten Besitz der in der Heimat verbliebenen Landsleute, deren Wirken und deren Leistungen wir mit Bewunderung und großem Interesse begleiten! Sie haben sich für den Erhalt unserer Kultur verdient gemacht, Sie haben politische Verantwortung übernommen und für den Fortbesttand der Siebenbürger Sachsen in Rumänien Sorge getragen! Dafür danke ich Ihnen allen!

Mit der Eröffnung der Zweigstelle Hermannstadt ist die weltweite Föderation der Siebenbürger Sachsen, die uns über Erdteile verbindet, weiter ausgebaut worden. Ich freue mich, dass heute Vertreter all dieser Organisationen bei unserem Heimattag anwesend sind, mit denen wir gestern sehr konstruktive Föderationsgespräche führen konnten!

Es hat sich auch gestern gezeigt: Unser weltweiter Zusammenhalt wird gefestigt durch unser aller gemeinsames Wirken, durch unsere Aktivitäten für den Erhalt unsere Kultur, unserer Werte, unserer Traditionen aus der Heimat, die wir sicher in die Zukunft und in alle Welt tragen wollen: „Kultur schafft Heimat und Zukunft“.

Mit diesem Motto wünsche ich Ihnen allen einen frohen Heimattag 2018 und hoffentlich noch viel Sonne!

Schlagwörter: Heimattag 2018, Herta Daniel, Verband, Aussiedler, Fremdrentengesetz, Rente, Rumänien, Klaus Johannis

Bewerten:

25 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.