Interview mit BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius über seine Bundestagskandidatur und die politischen Turbulenzen in Rumänien
Die Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz ist gescheitert. Der Anfang Januar gestartete Wahlkampf währt nur wenige Wochen. Am 23. Februar sind rund 60 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, an der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag teilzunehmen. Um ein Mandat bemüht sich dann auch Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV). Zu den Aussichten seiner Kandidatur auf der Landesliste der CSU und seinen politischen Ambitionen, die fest verknüpft sind mit den zentralen aussiedlerpolitischen Anliegen, äußert sich der Ehrenvorsitzende unseres Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland im Gespräch mit dem Stellvertretenden Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung Christian Schoger.
Herr Fabritius, auch wenn es in unserem Gespräch um die anstehende Bundestagswahl gehen soll, können wir die turbulenten politischen Ereignisse in Rumänien nicht schweigend übergehen. Wird die neue Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Ciolacu die demokratischen Werte gegen die erstarkten extremen Rechten im Parlament verteidigen können?
Ich hoffe dieses sehr. Wir müssen leider in ganz Europa eine massive Einflussnahme auf das politische Geschehen in demokratischen Staaten von unterschiedlichen äußeren Faktoren sehen. Die gezielte hybride Destabilisierung durch Aktionen z. B. der Russischen Föderation wirkt auch durch das Zutun undemokratischer Kräfte im Inland. Das hat sich besonders drastisch bei der rumänischen Präsidentschaftswahl gezeigt, dürfte aber auch in Deutschland nicht ganz auszuschließen sein. Alle demokratischen Kräfte - aber auch jeder Einzelne! - ist gefordert, sich hier nicht instrumentalisieren zu lassen. Es wird eine der größten Herausforderungen der Zukunft für demokratische Systeme sein.
Staatspräsident Klaus Johannis ist weiterhin im Amt. Die annullierte Präsidentschaftswahl soll im Mai wiederholt werden. Halten Sie es für wahrscheinlich, dass Johannis‘ Nachfolger im Schloss Cotroceni ein pro-europäischer Staatspräsident sein wird?
Auch dieses hoffe ich sehr. Ich hoffe, dass die rumänische Gesellschaft wachgerüttelt ist und es schafft, den zunehmend nationalistischen Populismus abzuwehren. Hier schrillen die Alarmglocken schon seit vielen Jahren besonders laut, wurden aber leider zu lange ignoriert.
Am 1. Januar ist Rumänien dem Schengen-Raum beigetreten. Wie sehr hat Sie das gefreut?
Das war lange überfällig und hat auch mit den vorher besprochenen Themen zu tun. Die bisherige Ablehnung hat auch dazu geführt, dass Teilen der Gesellschaft ein Misstrauen vor dem europäischen Weg des Landes vermittelt werden konnte. Rumänien war, ist und bleibt ein sehr wichtiges Land für die Stabilität in Europa und deswegen war das eine wichtige und richtige Maßnahme.
Zurück nach Deutschland. Sie haben schon mehrere Bundestagswahlen bestritten. Wie erleben Sie diesen kurzen Wahlkampf in einer Zeit multipler Krisen und einhergehender großer Unsicherheit?
Bundestagskandidat Dr. Bernd Fabritius, hier bei seinem Grußwort anlässlich der Eröffnung des letztjährigen Heimattages in Dinkelsbühl, als der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. sein 75-jähriges Jubiläum feierte. Foto: Christian Schoger
Die Herausforderungen der letzten Jahre, die von der gescheiterten Ampel-Regierung trotz anderer Beteuerungen nur zum Teil bewältigt werden konnten, führen nach meiner Wahrnehmung dazu, dass die Mehrheit der Menschen eine Kurskorrektur in Deutschland wollen. Vereinfacht gesagt erwarten sie, dass unser Land wieder „in Ordnung gebracht“ wird. Es geht nun in diesem kurzen Wahlkampf darum, den Weg dahin möglichst klar aufzuzeigen. Schuldzuweisungen zwischen einzelnen Koalitionspartnern waren und sind der falsche Weg. Auch die Zeit von Wahl-Experimenten ist vorbei: Gerade die Situation nach den Wahlen in den neuen Bundesländern zeigt mir ganz klar, wie wesentlich wichtig eine stabile, handlungsfähige Regierung ist, und deswegen hoffe ich auf eine möglichst klare Wahlentscheidung, die eine starke Regierung ermöglicht. Ich konnte an den Inhalten des Wahl- und Regierungsprogramms der Union zu den Themen der Aussiedler und Spätaussiedler selbst mitschreiben und finde diese sehr überzeugend, klar und vollständig. Deswegen wünsche ich mir für uns natürlich eine möglichst starke Mehrheit der Union, von CSU und CDU, für die künftige Bundesregierung.
Welche Chancen rechnen Sie sich aus, in den nächsten Bundestag einzuziehen? Sie kandidieren auf Platz 27 der Landesliste der CSU.
Die Positionierung auf Platz 27 der Landesliste beziehungsweise Platz 4 der wahlkreisbereinigten Liste durch die Delegierten der Aufstellungsversammlung ist ein sehr hoher Wertschätzungs- und Vertrauensbeweis für uns als Personenkreis. Das neue Wahlrecht der Ampel-Regierung macht es aber Parteien, wie der CSU, leider eher schwierig, Bundestagsmandate für die Landesliste zu bekommen. Hier ist ein starkes Wahlergebnis durch die Zweitstimme nötig. Wenn also die Christlich-Soziale Union in Bayern ein möglichst starkes Zweitstimmenergebnis bekommt, sind die Chancen gut.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das neue Wahlrecht? Die von der Ampel-Regierung 2023 beschlossene Wahlrechtsreform sieht vor, dass das Parlament von 736 Sitzen auf 630 schrumpft.
Die Reduzierung der Anzahl der Bundestagsabgeordneten ist schon ein wichtiges Ziel gewesen, welches aber demokratischer hätte erreicht werden können und müssen. Hier haben sich die Parteien der gescheiterten Ampel-Regierung, SPD, Grüne und FDP, ein Wahlrecht „gebastelt“, das politische Mitbewerber eindeutig benachteiligt. Das war sehr unredlich! Es wurde dann entsprechend vom Bundesverfassungsgericht auch zum Teil wieder korrigiert. Es wird eine der wichtigen Aufgaben des nächsten Bundestages sein, verbliebene Ungerechtigkeiten noch zu beseitigen.
An welchen Sachfeldern der parlamentarischen Arbeit hegen Sie besonderes Interesse?
Mich interessieren wie bisher alle Politikbereiche, die mit den Belangen der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in engem Zusammenhang stehen. Das sind die Innenpolitik, die Außenpolitik, die Sozialpolitik, die Kulturpolitik und national wie international die Menschenrechte.
Welche aussiedlerpolitischen Belange erachten Sie in der nächsten Legislaturperiode als prioritär?
Hier kann ich ohne Abstriche auf den entsprechenden Abschnitt unseres Wahl- und Regierungsprogramms verweisen. Wir haben in 30 Zeilen alles zusammengeschrieben, was in der kommenden Wahlperiode unbedingt korrigiert und angegangen werden muss. Es geht übergeordnet zuerst darum, unseren Personenkreis und dessen Belange erneut in den Fokus zu nehmen. Die Sicherung unseres Kulturgutes als Teil des gesamtdeutschen kulturellen Erbes, die Weitergabe unserer von Muttersprache, Tradition und Bräuchen geprägten, ganz eigenen kulturellen Identität an kommende Generationen, die Beseitigung von noch vorhandenen Benachteiligungen bei der Alterssicherung oder auch die Unterstützung unserer Landsleute in den Heimatgebieten sind dabei ganz wesentliche Anliegen. Auch haben die deutschen Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler durch ihren Brückenschlag in die Heimatgebiete eine unglaublich wichtige Friedensleistung für ganz Europa erbracht, die es weiter wertzuschätzen und zu fördern gilt.
Als ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten: Würde Sie dieses Amt, das Sie in den Jahren 2018 bis 2022 innehatten, nochmals reizen?
Selbstverständlich, sehr sogar. Es gab bei meiner Abberufung durch die Ampel-Regierung im Jahr 2022 ganz wichtige Projekte und Anliegen, deren Umsetzung dann unterbrochen oder auf einen anderen nach meiner Überzeugung falschen Weg gebracht wurden. Hier würde ich an bisherige gute Ergebnisse anknüpfen und diese gerne fortsetzen. Als Präsident des Bundes der Vertriebenen konnte ich in der Zeit seither sehr genau beobachten, an welcher Stelle dringender Nachholbedarf besteht und wo die Weichen anders gestellt werden müssen. Diese Erfahrung und dieses Wissen würde ich gern in eine künftige Regierung einbringen. Regierungsbildung ist aber immer eine Teamentscheidung, die auf Kompromisse im Rahmen einer Koalition gründen. Schon deswegen hoffe ich sehr, dass die CSU in einer künftigen Koalition möglichst stark vertreten ist.
Am 14. Mai werden Sie 60. Ist dies mutmaßlich Ihre letzte Bundestagskandidatur?
Dazu würde ich mich heute bestimmt noch nicht festlegen. Es ist natürlich wichtig, gerade auch die jüngere Generation an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Genauso wichtig bleibt es aber auch, die in vielen Jahren Einsatzes gewonnene Erfahrung und Detailkenntnisse auch künftig zu nutzen. Mit 60 gehört man doch noch lange nicht zum „alten Eisen“. Ich wünsche daher allen Gleichaltrigen und natürlich auch mir noch eine möglichst lange aktive Zeit mit guter Gesundheit und Lebensfreude.
In diesem Sinne alles Gute und viel Erfolg bei den anstehenden Herausforderungen!
16.01.2025, 13:38 Uhr von Peter Otto Wolff:
Nun, ich wünsche Herrn Dr. Fabritius viel Erfolg bei seiner Kandidatur. Allerdings muss ich schon ...
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