18. November 2014

„Der Wiener Sachsendank“

In diesem Jahr erfüllen sich 100 Jahre seit Beginn des Ersten Weltkriegs, der mit seinem für die Mittelmächte Europas bitteren Ende u.a. auch die Auflösung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie nach sich zog. Nach vier Jahren Krieg (1914-1918) mit großen Entbehrungen auch für die Zivilbevölkerung, insbesondere für die größerer Städte, ergab sich u.a. für Wien, die alte Kaiserstadt, bis hin in die Nachkriegsjahre eine regelrechte Hungersnot.
Die große Familie der Siebenbürger Sachsen, bestens organisiert im Verein der Siebenbürger Sachsen in Wien, sah sich genötigt, die Hilfe ihrer Landsleute in der Heimat in Anspruch zu nehmen. In Siebenbürgen hatte man den Krieg aus materieller Sicht bezüglich Lebensmittelversorgung gut überstanden, so dass der Hilferuf eine Sammlung und Sendung von acht Waggons Lebensmitteln ergab, wovon aber leider nur drei Waggons ihr Ziel erreichten. Immerhin konnte man auch damit viel Hilfe leisten. Von 1920 bis 1929 kamen insgesamt zehn „Kinderzüge“, wie sie genannt wurden, mit je über 200 Kindern mit Begleiterinnen, bei Kleinkindern auch mit den Müttern, aus Wien nach Siebenbürgen, um hier aufgepäppelt zu werden.

Initiator der Züge und anschließenden Dankesfeier war der aus Schäßburg stammende Oberstabsarzt Dr. Hans Henning, Arzt der ehemaligen Kaiserlichen Garde, der nach Auflösung der Monarchie pensioniert wurde und nun seine noch volle Arbeitskraft dem Verein der Siebenbürger Sachsen in Wien ehrenamtlich zur Verfügung stellte.
Duplikat der Widmungsurkunde ...
Duplikat der Widmungsurkunde
Bei Beendigung der Hilfszüge gab es im Jahre 1930 in Wien eine große Feier, „Der Wiener Sachsendank“, mit reichem kulturellem Angebot, an der Vertreter des öffentlichen Lebens, auch der österreichischen Bundesregierung, teilnahmen. Seitens der Heimatkirche war, in Vertretung des erkrankten Bischofs, der Hermannstädter Stadtpfarrer und spätere Bischof D. Friedrich Müller-Langenthal anwesend.

Eine den Dank der Wiener aussprechende Marmortafel wurde geschaffen, die das lebensgroße Profil-Relief des Kopfes des damaligen Bischofs D. Dr. Friedrich Teutsch und folgenden Sinnspruch enthielt: „Siebenbürgen selbst in Nöten/ Als so manche Fahne sank;/ Gabst barmherzig unsern Kindern,/ Wußtest Not und Leid zu lindern!/ Spricht der Wiener Sachsendank.“

Nach der Enthüllung der Marmortafel sangen alle Anwesenden die obige „Sachsendankstrophe“ auf die Melodie der Siebenbürgen-Hymne „Siebenbürgen, Land des Segens“, entsprechend gereimt für diesen Zweck. Auch eine Widmungsurkunde wurde anlässlich dieser Feier abgefasst. Sowohl die Marmortafel als auch die Urkunde wurden dem Delegierten der Heimatkirche, Friedrich Müller-Langenthal, für das Archiv der Landeskirche in Hermannstadt übergeben.

Ein echtes Duplikat der Widmungsurkunde, 90 x 60 cm groß, handgeschrieben auf (Industrie)-Pergament, befand sich, als Geschenk von Seiten des Initiators der Kinderzüge und der Gedenkfeier im Besitz meiner Familie. Ich habe sie jüngst der Stiftung Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim übergeben.

Julius Henning

Schlagwörter: Siebenbürger Sachsen, Österreich, Geschichte, Weltkrieg

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