22. Februar 2022

Fotoausstellung Hermannstadt und Kronstadt im HDO/Interview mit Josef Balazs

Am 18. Januar wurde im Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München die Ausstellung „Fremd : Vertraut. Hermannstadt : Kronstadt. Zwei Städte in Siebenbürgen, fotografiert von Jürgen van Buer“ eröffnet. Der Direktor des HDO, Prof. Dr. Andreas Otto Weber, begrüßte die Gäste und freute sich über das große Interesse am neuen Ausstellungsprojekt seines Hauses. Der Kurator der Ausstellung, Josef Balazs, hielt bei der Vernissage einen Einführungsvortrag. Die Rede des Fotokünstlers Jürgen van Buer, der aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, wurde von Gertrud Balazs verlesen. Anlässlich der Ausstellungseröffnung sprach Lilia Antipow, Leiterin der Öffentlichkeits-, Medien- und Pressearbeit sowie der Bibliothek des HDO, mit dem Kurator der Ausstellung, Josef Balazs.
Lilia Antipow, Prof. Dr. Andreas Otto Weber ...
Lilia Antipow, Prof. Dr. Andreas Otto Weber (Direktor des HDO), Josef Balazs und Gertrud Balazs bei der Vernissage der Ausstellung. Foto: Hariett Schmidt, München
Wie begegneten sich der Berliner Fotograf Jürgen van Buer und der kulturbegeisterte Kronstädter Josef Balazs?
Wir begegneten uns zufällig, aber auf der gleichen Ebene. Jürgen van Buer stellte 2016 in Dinkelsbühl, in der St. Paulskirche zum ersten Mal seine monumentalen Kirchenburgen-Fotos aus. Ich besuchte diese Ausstellung und war begeistert, ja fasziniert, von seiner Art, die Kirchenburgen zu sehen. Ich suchte das Gespräch mit dem Fotografen. Wir trafen uns zum ersten Mal in Berlin, im November 2016. Seit diesem Zeitpunkt befinden wir uns in einem Dauerdialog. Daraus entwickelte sich auch diese Ausstellung.

Was hat dich an den Bildern von Jürgen van Buer fasziniert? Warum hast du beschlossen, eine Ausstellung dazu zu machen?
Mich faszinierte seine Ehrlichkeit, seine direkte, vorurteilsfreie und tabulose Art, die Dinge zu betrachten. Die Fotografien von Jürgen van Buer sind Poesie des Lichts und Schattens. Gleichzeitig komponiert er beunruhigende, ja aufregende Harmonien. Nicht zufällig lautet der Titel der Ausstellung „Fremd : Vertraut“. Diese Art, die Welt zu sehen, ist für die einen fremd, für die anderen jedoch vertraut. Als der Berliner Jürgen van Buer nach Siebenbürgen kam, war ihm diese Welt fremd. Und er hat sich ihr als ein Fremder genähert. Als Kronstädter kenne ich meine Stadt sehr gut. Durch van Buers Bilder entdeckte ich jedoch neue Perspektiven ihrer Betrachtung. So hatte ich Kronstadt bis jetzt nicht gesehen. Auch das war für mich das Faszinierende an seinen Bildern!

Wie kam Jürgen van Buer, ein Professor für Wirtschaftspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin, zum Landschafts- und Kulturraum Siebenbürgen?
Aus seinen eigenen Aussagen weiß ich, dass er als Kind von seiner Tante ein Buch über die Kirchenburgen in Siebenbürgen bekommen hat. Die Bilder, die er darin sah, faszinierten ihn derart, dass er sie für immer im Kopf behielt. Später hatte er als Professor beruflich öfters in Ungarn zu tun, so an der Universität Budapest bzw. Nyíregyháza. Bei einer dieser akademischen Reisen hatte er sich die Freiheit genommen, im Anschluss daran gen Osten zu fahren. So lernte er Siebenbürgen zum ersten Mal kennen. Er war vom Land fasziniert – und fing an zu fotografieren. Am Anfang standen die Fotos zu den Kirchenburgen (siehe https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/18670-der-befestigte-glaube-neuer-bildband.html). Ausgangspunkt für seine Fahrten auf das Land waren jedoch entweder Hermannstadt oder Kronstadt. Dort entstanden die Städtefotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Nach welchen Kriterien wurden die Bilder für die Ausstellung „Fremd : Vertraut“ ausgesucht?
Wir trafen zunächst eine Bildauswahl für den Begleitband zur Ausstellung. Anschließend wurden daraus vierundzwanzig Fotos ausgesucht.

Und der fremde Blick des Berliner Fotografen Jürgen van Buer traf auf den vertrauten Blick des gebürtigen Kronstädters Josef Balazs. Aus der Korrespondenz dieser beiden Blicke entstand auch die Bildauswahl für diese Präsentation. Wie ist die Ausstellung aufgebaut?
Im Entrée sind beide Städte mit je einem Bild vorgestellt. Im nächsten Raum sind die Fotos zu Hermannstadt und anschließend jene zu Kronstadt zu sehen. Seitens des HDO wurde vorgeschlagen, drei Medienstationen in die Ausstellung zu integrieren. Im ersten Raum ist der Text von Jürgen van Buer über Fotografie und seine Art, Siebenbürgen zu sehen, zu hören. Im Raum Hermannstadt spreche ich über eine Hermannstädter Persönlichkeit, Samuel von Brukenthal, dessen 300. Jubiläum 2021 gefeiert wurde (siehe https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/21633-brukenthal_denkmal-in-hermannstadt.html). Im dritten Raum liest die Kronstädter Schriftstellerin Carmen Elisabeth Puchianu Passagen aus ihrem Text, einer liebevollen Auseinandersetzung mit ihrer Heimatstadt. Diese Beiträge stammen aus unserer Begleitpublikation zur Ausstellung. Ergänzt werden die ausgestellten Bilder durch Texte, die ich ausgewählt habe: aus Werken von Johannes Tröster, Adolf Meschendörfer, Georg Scherg u.a. Einige Texte habe ich selbst beigesteuert. Sie treten nicht in Konkurrenz zu den Fotos, sondern ergänzen sie. Als Betrachter soll man dabei eine kleine Pause einlegen, aufatmen, davor verweilen, eventuell auch schmunzeln, sich wundern, sich ärgern auch. Einem Nicht-Siebenbürger sollte vor allem mit den Texten ein Fingerzeig gegeben werden: Daraus erfährt er etwas mehr über Siebenbürgen. So habe ich für den ersten Raum ein Zitat aus der Schedelschen Chronik, die 1493 in Nürnberg erschienen ist, ausgesucht. Hier wird die Gegend in Siebenbürgen beschrieben. Mit diesem Text wird ein Zusatzhinweis darauf gegeben, wo diese beiden Städte – Hermannstadt und Kronstadt – liegen.
Das Logo zur Ausstellung, von einem Berliner Künstler entworfen, dient als Corporate Design, als roter Faden für alle Elemente dieser Ausstellung, für ihre Texte wie für ihre Werbung. Es ist das unmissverständliche Erkennungszeichen dieses Projektes. Mit den Fotografien, den Texten und den Medienstationen, mit der Verbindung der visuellen und auditiven Elemente bildet die Ausstellung ein Gesamtkunstwerk.
Lilia Antipow und Josef Balazs bei der ...
Lilia Antipow und Josef Balazs bei der Ausstellungseröffnung in München. Standbild aus dem YouTube-Video
Hast du in der Ausstellung ein Lieblingsbild?
Ja, es ist die Aufnahme vom Honterushof in Kronstadt. Jürgen van Buers Bilder sind – und hier erlaube ich mir, mich zu wiederholen – Poesie des Lichts und Schattens. Dabei spielen die neuen, ungewohnten Perspektiven eine Rolle. Die Aufnahme des Honterushofes wird von einem gewaltigen Schatten dominiert, der von links ins Bild tritt. Nur Insider wissen: diesen Schatten wirft die übergroße Schwarze Kirche. Am Bildrand sind drei Menschen zu sehen, aus dem Schatten ins Licht tretend. In der rechten Ecke: das Rathaus, getaucht in Licht und Wolken. Die Bildmitte beherrscht ein Häuserkomplex. Die Melodie der sich wiederholenden Fenster auf ihrer Waagerechten bildet das Faszinosum dieser Komposition. Und noch etwas: die Spur, die die Jugend an der Wand hinterlassen hat. Zwei Wörter in rumänischer Sprache sind darauf mit Farbe gesprüht – privește cerul, zu Deutsch: Betrachte den Himmel. Eine tiefgründige Aufforderung!

Wenn ich ergänzen darf: Es gibt auch eine virtuelle Version der Ausstellung, die Ende Januar für die Nutzer freigeschaltet wurde.
Ich glaube, es ist sehr wichtig gerade für junge Menschen, dass sie sich mit dem Handy in der Hand in den Räumen der Ausstellung bewegen, an einigen Stellen stehen bleiben, die Texte lesen und die Bilder betrachten können.
Für mich war es wichtig, die virtuelle Version der Ausstellung zu produzieren, weil die Präsenzausstellung immer auf den jeweiligen Ausstellungsort fixiert ist. Mit der virtuellen Version kann man den Wirkungsraum der Präsentation wesentlich erweitern. Wer nach München nicht kommen kann, um die Ausstellung zu besuchen, kann es bequem von zu Hause aus tun. Und gleichzeitig ist es eine Form, die Ausstellung für die Zukunft zu dokumentieren. Das sind ganz neue Wege der Ausstellungskultur. Große Museen haben sie bereits beschritten, und ich freue mich, dass das Haus des Deutschen Ostens in München sich ebenfalls auf diesem Weg befindet.

Auszüge aus dem Interview mit Josef Balazs zum Nachhören finden Sie als „Talk in der Ausstellung“ unter https://www.youtube.com/watch?v=_TH25oL5tAs. Die virtuelle Version der Ausstellung „Fremd : Vertraut“ (Realisierung: Oliver Balazs, Berlin) finden Sie online: https://hdo-vr.de/Jan22/

Schlagwörter: Kultur, Interview, München, HDO, Ausstellung, Fotografie, Hermannstadt, Kronstadt

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