8. Oktober 2022

„Ich hab‘ mein Herz in Siebenbürgen verloren“ - Zum Tod von Barbara Stamm

Die ehemalige bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm ist am 5. Oktober nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren in ihrer Heimatstadt Würzburg verstorben. Damit verlieren Rumänien, Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen eine „Freundin unter Freunden“, wie Barbara Stamm das im Bezug auf ihre Besuche beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl einmal gesagt hat. Als große Politikerin und überzeugte Demokratin, die sich Zeit ihres Lebens für die Schwächsten in der Gesellschaft eingesetzt hat, wird sie uns allen in Erinnerung bleiben. Ministerpräsident Markus Söder würdigte Barbara Stamm als „Bayerns soziales Gewissen, Maßstab und Vorbild im Einsatz für die Mitmenschen“.
Barbara Stamm wurde am 29. Oktober 1944 in Bad Mergentheim geboren. Sie war verheiratet mit Ludwig Stamm, das Ehepaar hat drei Kinder, von Beruf war sie gelernte Erzieherin. Als Würzburger Stadträtin schaffte die Politikerin 1976 den Sprung für die Christlich-Soziale Union (CSU) in den Bayerischen Landtag, dem sie ununterbrochen bis 2018 angehören sollte. Von 1987 bis 1994 war sie Staatssekretärin im bayerischen Arbeits- und Sozialministerium und von 1994 bis 2001 Arbeits- und Sozialministerin. 2003 wurde Barbara Stamm zur Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags gewählt und von 2008 bis 2018 bekleidete sie als erste Frau das Amt der Landtagspräsidentin.

Zeitlebens war sie den Menschen immer sehr nah, von allen Seiten wurde sie als das „soziale Gewissen“ der CSU gesehen. Dieses Engagement hat sie vielfach auch in Rumänien an den Tag gelegt, ein Land, das ihr nach 1990 ans Herz gewachsen war und wo sie über 30 Jahre lang karitativ tätig war. Unmittelbar nach der Wende hatte sie das postkommunistische Rumänien besucht und machte bei ihren ersten Arbeitsreisen nach eigenen Angaben „erschütternde Erfahrungen“; andererseits beeindruckten sie „die Menschen im Lande mit ihrem Lebens- und Einsatzwillen“, ebenso die „Gastfreundschaft und menschliche Wärme trotz bitterster Armut“. Ihre „Hilfe zur Selbsthilfe“ nahm hier ihren Ausgangspunkt. Barbara Stamm war ehrenamtlich engagiert als Vorsitzende der Stiftung Bavaria-Romania für Sozialassistenz in Rumänien und als Vorsitzende des Kuratoriums der 1991 ins Leben gerufenen Bayerischen Kinderhilfe Rumänien. Zudem war sie drei Jahrzehnte lang die Rumänienbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung.

Die damalige Bayerische Landtagspräsidentin ...
Die damalige Bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm nahm beim Heimattag 2017 freudestrahlend den Ehrenstern der Föderation von Dr. Bernd Fabritius entgegen. Foto: Christian Schoger
Wie kein anderer deutscher Politiker hat sie Rumänien in diesen 30 Jahren mehr als hundert Mal bereist. In Păstrăveni im Kreis Neamţ in der Moldau wurde mit ihrer Hilfe ein Zentrum für behinderte Menschen als Pilotprojekt eingerichtet, das „Mutter-Kind-Projekt“ in Jassy (Iaşi) hat sie mit betreut und in Hermannstadt den Aufbau einer Fachschule für Heilerziehungspflege und Altenpflege mit begleitet. Oft und gerne hat sie auch das Altenheim „Dr. Carl Wolff“ mit seinem Kinderhospiz besucht und maßgeblich unterstützt. Unterstützung durch die bayerische Politikerin erfuhren auch das Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in Temeswar, das Zentrum für Hämophilie und HIV-Patienten in Busiasch, ein Zentrum für „Kanal-Kinder“ in der Nähe von Bukarest oder das Nachtasyl für Obdachlose in Neppendorf. Zudem hat sie sich als überzeugte Christin in Rumänien für die Kirchen und die Ökumene eingesetzt.

Es ist erst zwei Monate her, dass Barbara Stamm das letzte Mal Rumänien besucht hat, begleitet vom BdV-Präsidenten Dr. Bernd Fabritius. In Bukarest wurde sie dabei von Staatspräsident Klaus Johannis mit dem Verdienstorden für die Förderung der Menschenrechte und soziales Engagement im Rang eines Großoffiziers ausgezeichnet. Wenige Tage später besuchte sie auch die Haferlandwoche in Deutsch-Kreuz, wo sie mit ihrer sehr persönlichen Rede die Zuhörenden begeisterte. Im Altenheim „Dr. Carl Wolff“ in Hermannstadt, das sie ebenfalls besuchte, wurde aktuell ein Elektroauto mitfinanziert, das dem Team des Altenheims bei der Erledigung ihrer Aufgaben helfen soll.

Ihre Begeisterung und „aus tiefstem Herzen kommende Nächstenliebe“ seien „hoch ansteckend“, sagte Dr. Bernd Fabritius über die Verstorbene 2015 beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Neben ihrem sozialen Engagement war Barbara Stamm den Deutschen, die aus Rumänien nach Deutschland ausgesiedelt sind, und den in der Heimat Verbliebenen sehr verbunden. Den Heimattag in Dinkelsbühl hat sie regelmäßig besucht. Beim Heimattag 2017 wurde sie mit dem Ehrenstern der Föderation der Siebenbürger Sachsen ausgezeichnet. In seiner Laudatio würdigte Laudator Dr. Bernd Fabritius Barbara Stamm, die durch ihr langjähriges Engagement in Rumänien „auch für uns wichtige Weichen gestellt und Anstöße zu einer modernen, europäischen Sozialarbeit gegeben“ habe. In ihrer damaligen Danksagung stufte Barbara Stamm ihre Beziehung zu den Siebenbürger Sachsen als Freundschaft ein. Deshalb stelle sie immer anerkennend fest, dass der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland nicht rückwärtsgewandt agiere, vielmehr die „gemeinsame Gestaltung der Zukunft im Vordergrund“ stehe, etwa in der Jugendarbeit oder im Bereich der Kultur. Sie selbst sei bekanntlich keine Siebenbürger Sächsin, verstehe aber den Ehrenstern „auch ein wenig als endgültige ‚Einbürgerung‘ in Ihre Gemeinschaft“ und „als einen in jeder Hinsicht weiterhin motivierenden Ansporn“, betonte Barbara Stamm bei der Preisverleihung 2017. Eine weitere Auszeichnung wurde Barbara Stamm bereits beim Heimattag 2013 zuteil, als sie vom Siebenbürgenforum und der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mit der Honterus-Medaille geehrt wurde. Hier bekannte die Fränkin: „Ich hab‘ mein Herz in Siebenbürgen verloren!“ Besser konnte sie ihre Verbundenheit zu Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen nicht zum Ausdruck bringen.

Für die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft ist der Tod ihrer Freundin Barbara Stamm ein sehr schmerzlicher Verlust. Wir werden sie als tatkräftige, aufrichtige, mutige Politikerin und Unterstützerin unserer Gemeinschaft in Deutschland und Siebenbürgen in bester Erinnerung behalten. Ihr jahrzehntelanger Einsatz soll uns allen Ansporn sein, ihr Werk weiterzuführen und vor allem die Schwächsten in unserer Gesellschaft weiterhin maßgeblich zu unterstützen. Barbara Stamm mögen in Frieden ruhen.

Rainer Lehni, Bundesvorsitzender



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Schlagwörter: Politik, Nachruf, Barbara Stamm, Rainer Lehni, Bayern, Landtagspräsidentin

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