3. Februar 2014

Kreisgruppe Heilbronn: Fachvortragsreihe

Viele Menschen, unter dem Einfluss von Familie, Freundeskreis oder Arbeitsumfeld, machen sich gelegentlich ernste Gedanken über ihr Schicksal, über ihr Verhältnis zu den Eltern, Großeltern, Nachkommen. ­Gerade wenn es einem richtig gut geht, ist der beste Augenblick dafür, grundsätzliche Entscheidungen zu treffen: In wessen Hände, in wessen Obhut begebe ich mich, wenn meine Lebensqualität beeinträchtigt ist und ich Unterstützung brauche, wie stelle ich mir vor, den Lebensabend zu verbringen, oder bis zu welchem Punkt sollen, im schlimmsten Fall, meine Lebensfunktionen künstlich erhalten werden.
Am 19. November konnten viele Interessierte im Haus der Siebenbürger Sachsen Neuigkeiten zu diesen Themen erfahren. Als Referentin konnte Bettina Reichert, Mitglied der „Initiative Selbst Bestimmen“ und Stellvertretende Heimleiterin des ASB Pflegezentrums Heilbronn-Sontheim, ehrenamtlich für den Fachvortrag gewonnen werden. Sie stellte mit ihrer anschaulichen Präsentation die wichtigen juristischen, medizinischen und ethischen Aspekte von Betreuung, Vollmacht und Patientenverfügung vor. Die genannte Initiative, gebündelt in einer Gruppe von ca. 40 Personen, engagiert sich seit Juli 2010 als professionelle Gesprächsunterstützung und Beratungshilfe in Stadt und im Landkreis, gibt ratsuchenden Bürgern eine Orientierungshilfe bei der Erstellung einer Patientenverfügung oder Gesundheitsvollmacht und hilft, eventuelle Verunsicherungen zu beseitigen. Weil die meisten Mitglieder des ISB direkt in der Betreuung und Begleitung involviert sind, setzen sie sich intensiv für einen menschenwürdigen Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden sowie für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts im Gesundheitswesen und in der Altenhilfe ein.

Melden Sie sich gerne auch in Zukunft mit Ihren Fragen zum Sozialwesen, zur sozialen und familiären Absicherung, der Altenhilfefachberatung, der Problematik zu Kranken- und Pflegekassen und dem Sozialhilfe-, Renten und Ausbildungswesen. Im Rahmen des Sozialreferats unserer Kreisgruppe werden wir gerne Ihre Anliegen und Anregungen entgegennehmen und versuchen, kompetente Sachverständige aller genannten Fachrichtungen mit der Beantwortung solcher spezifischer Fragen zu beauftragen.

Reise zum Nordkap in 100 Minuten

Der ereignisreiche Herbst 2013 verzeichnete auch wieder einen informativen und künstlerisch gelungenen Bildvortrag. Vermittelt durch eine zufällige Reisebekanntschaft mit unserem Landsmann Erwin Rheindt, hatten wir die Freude, die in Bilder gebannten Reiseimpressionen des Hochschuldozenten Karl-Heinz Unterberger auf den Weg zum Nordkap zu verfolgen. Musikalisch sehr treffend mit Auszügen aus Grieg und Sibelius untermalt, hat der Vortrag Höhepunkte der Reise vermittelt: Die Tour führte von Travemünde über Südschweden nach Turku in Finnland, entlang dem Bottnischen Meerbusen auf der Eismeerstraße zum Höhepunkt der Reise, der Mitternachtssonne am Nordkap. Natur und Architektur, Menschen und Tiere erfasste Unterberger gekonnt mit seinem Objektiv. In Stockholm, dem „Venedig des Nordens“, faszinierten imposante Gebäude unmittelbar neben Hunderten dünn besiedelter Schäreninseln, am Polarkreis überraschte die Stadt Rovaniemi, offizieller Sitz des Weihnachtsmannes, mit ihren liebevoll eingerichteten Attraktionen. Das dankbare Publikum war fasziniert von den Reiseeindrücken, der Natur in fast menschenleeren Gegenden, Rentieren am Rand der Autobahn und endlosen Kiefern- und Birkenwäldern, alles getaucht in das intensive, klare Licht Skandinaviens.

„Halber Stein“ – eine Begegnung III. Grades

Im Rahmen der Kulturveranstaltungen unserer Kreisgruppe hatten wir die Freude und Ehre, die Autorin Iris Wolff im Haus der Siebenbürger Sachsen in Heilbronn zu begrüßen. Es war eine Begegnung mit einer mutigen, jungen Frau mit siebenbürgischen Wurzeln und universellen Flügeln. In seinem Grußwort nannte Schmidt sie „mutig“, weil sie, „obwohl“ nur einige Kindheitsjahre in Siebenbürgen gelebt, sich wagt an das Befragen, Hinterfragen, Beschreiben und Verstehen der siebenbürgisch-sächsischen Seele. Dass es nicht wirklich zählt, wie lange man in Siebenbürgen und wie lange man außerhalb Siebenbürgens gelebt haben muss, um der siebenbürgischen Seele gewahr zu werden, das bewies in ihrer literarischen Komposition, in jedem vorgelesenen Satz unser Gast. Zu Iris Wolff kann man über das Internet, aus Gesprächen in Bekanntenkreisen Informationen einholen. Bei dieser, im übertragenen Sinne, Begegnung „ersten Grades“ ist zu lesen, dass Wolff gebürtige Hermannstädterin ist, dass sie über ihr Studium der Sprachwissenschaften und der Bildenden Künste Zugang fand zur Faszination eigener und fremder Gedankengänge, zur Musikalität der Bilder, zur Magie der Worte. Über Iris Wolff mag mancher viel mehr in Erfahrung gebracht haben, der ihren ersten Roman „Halber Stein“ schon in der Hand hielt. Bei dieser viel intensiveren Begegnung, nennen wir sie „II. Grades“, merkt man eindeutig: „Halber Stein“ ist kein Wunschkind, wohl aber ein Wunschbuch – der Autorin wie aus der Feder geschnitten und durch und durch gelungen. Es ist die Sorte Buch, wie auch die Sorte Liebesbriefe, welche man vorzugsweise zur Hälfte verschlingt, und die andere Hälfte lange hinauszögert, aus Angst vor dem Ausschöpfen der noch unentdeckten Erklärung, des noch unentdeckten Wortes. Liest man es zum Beispiel zur Winterzeit, wenn „Duft von Tannennadeln um die Häuser streichen wird“ (Wolff), so kann man getrost behaupten, um ein Buch, um eine Lebenserfahrung reicher geworden zu sein. Um schlussendlich – und das wäre sie dann, die „Begegnung III. Grades“ – von Angesicht zu Angesicht mit der Frau zu sein, die dem „Halben Stein“, den Menschen, deren Schicksalen, dem uralten Naturmonument, einer der ältesten Kirchen- und Wehrbauten der Siebenbürger Sachsen und der ausschließlichsten sieben- bürgisch-sächsischen Gemeinde ein Wortdenkmal gestiftet hat. Wir, die Besucher der Lesung, saßen gebannt da: Unser Gesicht an das imaginäre kühle Fenster gedrückt, blickten wir hinaus in die feuchte Spätherbstluft und horchten, wie Iris Wolff den Silberbach unter dem Herbstgewitter ansteigen, am Halben Stein und an unserem inneren Ohr vorbeirauschen lässt. Mit ihrem Gedanken- und Wortfluss beweist Iris Wolff, dass sie es kann: „Halber Stein“ ist eine in sich schlüssige Liebeserklärung an die Macht des Wortes, an Tradition und an Zukunft, an die Universalität des Regionalen, an die Poesie des Steines. Iris Wolff gelingt es, zwischen Tönen, Farbtupfern und Worten Lücken anzudeuten, die den Zuhörer, den Betrachter, den Leser ermutigen, mit seiner Phantasie, mit seinen ureigenen Erinnerungen und Erfahrungen zur Vervollständigung des Kunstwerkes beizutragen, dieses mitzugestalten.

Gerhard Schmidt

Schlagwörter: Heilbronn, Vortrag, Soziales, Lesung, Reise

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