21. November 2018

Kriegsgerichte, Liebe und viel Blut

Zu einem literarischen Abend mit Georg Aescht hatte die Kreisgruppe München am 6. November ins Haus des Deutschen Ostens (HDO) eingeladen. Liviu Rebreanus Roman „Der Wald der Gehenkten“ stand auf dem Programm – keine leichte Kost, aber passend gewählt zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, geht es doch um den siebenbürgischen Leutnant Apostol Bologa, der während eben dieses Krieges als Mitglied eines Kriegsgerichts Soldaten zum Tod verurteilt und am Ende selbst den Strick um den Hals gelegt bekommt. Der bereits 1922 unter dem Originaltitel „Pădurea Spînzuraților“ erschienene Roman wurde vom gebürtigen Zeidner Georg Aescht, Publizist, Literaturkritiker und Übersetzer, neu aus dem Rumänischen übertragen und erschien kürzlich im Wiener Paul Zsolnay Verlag.
„Kriegsgerichte, Liebe und viel Blut werden Thema des Abends sein“ – so stimmte Renate Kaiser, stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe München, die ca. 30 Gäste auf das Kommende ein. Zu Gericht gesessen wurde tatsächlich, Blut floss nicht ganz so viel, aber Liebe, ja, die konnte man spüren, vor allem die des Lesenden, Vortragenden, Spielenden zur Sprache: der rumänischen ebenso wie der deutschen. Der Schriftsteller Liviu Rebreanu (1885-1944) sei in seiner literarischen Sagweise ein derart eingefleischter Rumäne gewesen, dass er den Text neu habe schreiben müssen, berichtete Aescht über seine deutsche Übersetzung des Romans „Der Wald der Gehenkten“, den er als eines der wichtigsten Werke der rumänischen Moderne betrachtet. „Ich will Rebreanu sprechen lassen – mit meinen Worten.“ Und das tat er auch. Abwechselnd las er Passagen aus dem Buch und erzählte, erklärte, ergründete, zum Schluss auch mit den Gästen, die Fragen stellten und vor allem ihrer Begeisterung über das Werk, den Autor und den Übersetzer Ausdruck verliehen. Viele von ihnen hatten den Roman zu Schulzeiten in Siebenbürgen im rumänischen Original lesen müssen und konnten ihn an diesem Abend dank der eindringlichen Präsentation durch Georg Aescht ganz neu entdecken.
„Den Text neu schreiben in einer anderen ...
„Den Text neu schreiben in einer anderen Sprache“: Übersetzer und Publizist Georg Aescht beantwortet dem Münchner Publikum Fragen zu Rebreanus Roman „Der Wald der Gehenkten“. Foto: Konrad Klein
Die Geschichte des Leutnants Apostol Bologa, der in der Hölle des Krieges auf der Suche nach dem Sinn des Lebens ist und feststellen muss, dass „der Grund der menschlichen Existenz kein Grund ist, sondern ein Abgrund“ (Aescht), widmete Rebreanu seinem Bruder Emil, der 1917 an der rumänischen Front hingerichtet wurde und dessen Schicksal er literarisch verarbeitete. Mit der Neuübersetzung dieses Romans legten Georg Aescht und sein „Kollege und Konkurrent“ Ernest Wichner, ebenfalls Übersetzer und Verfasser des Nachworts zur Neuauflage, den Grundstein für ein von ihnen angedachtes Projekt: Eine Bibliothek der rumänischen Literatur des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts soll entstehen mit dem Ziel, diese zu rehabilitieren und in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Die vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales geförderte gelungene Veranstaltung der Kreisgruppe München fand ihren Ausklang in der Gaststätte des HDO, wo die Diskussionen und Gespräche in kleiner Runde fortgeführt wurden.

Doris Roth

Schlagwörter: rumänische Literatur, Lesung, Übersetzer, München, Aescht, Kreisgruppe

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