21. Februar 2019
Aussiedlerrente: Bundesarbeitsministerium erwägt Härtefallprüfung
Berlin - Der Bundesrat hat in seiner 974. Sitzung am 15. Februar per Mehrheitsbeschluss die Bundesregierung aufgefordert, die für Spätaussiedler geltenden rentenrechtlichen Vorgaben zu prüfen und bestehende Nachteile auszugleichen (siehe Eilmeldung: Bundesrat stimmt für Antrag zur Angleichung der Spätaussiedlerrenten). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nun gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung erklärt, einen Ausgleich über eine Fondslösung für Härtefälle anzustreben, analog zur Härtefallprüfung in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess. Eine entsprechende Regelung solle für die Gruppe der Spätaussiedler und jüdischen Kontingentflüchtlinge ab kommendem Jahr geprüft werden. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Härtefallprüfung hat dessen ungeachtet Bundesaussiedlerbeauftragter Dr. Bernd Fabritius, da diese „nicht den Anforderungen an auch für Spätaussiedler zu schaffende Generationengerechtigkeit“ genüge. Indessen bekräftigt der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, sich weiterhin engagiert einsetzen zu wollen für die gemeinsame Resolution der landsmannschaftlichen Verbände der Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland, die ungebrochen hohen Zuspruch verzeichnet.
Ministerium verspricht sorgfältige Prüfung ab 2020
Gemäß dem vom Bundesrat beschlossenen Entschließungsantrag des Freistaates Bayern ist der Bundesregierung aufgegeben, „die für Spätaussiedler geltenden rentenrechtlichen Vorgaben insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, umfassend neu zu bewerten sowie festgestellte etwaige Nachteile im Sinne der sozialen Gerechtigkeit auszugleichen“. Das für rentenpolitische Fragen ressortzuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gab auf Anfrage der Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung (SbZ) Auskunft über die nun geplante Verfahrensweise.Wie es in der Stellungnahme des Ministeriums vom 19. Februar heißt, werde die Bundesregierung die Entschließung des Bundesrats zur Überprüfung der rentenrechtlichen Regelungen von Spätaussiedlern und jüdischen Kontingentflüchtlingen „sorgfältig prüfen“ und ihre Bewertung dem Bundesrat anschließend übermitteln. Hinsichtlich der anvisierten Lösung verwies eine Sprecherin des BMAS auf eine Vereinbarung im 2018 geschlossenen Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD, wonach die Koalitionsparteien für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess einen „Ausgleich durch eine Fondslösung“ schaffen und „Entsprechendes (…) auch für die Gruppe der Spätaussiedler und der jüdischen Kontingentflüchtlinge prüfen“ wollen (Koalitionsvertrag Stand 7. Februar 2018, Seite 93, Randziffern 4337–4339). Laut BMAS befasst sich zurzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den Möglichkeiten der Umsetzung einer Fondslösung für Härtefälle in der Rentenüberleitung. Der Abschluss der Gespräche in der Arbeitsgruppe werde bis zum Ende des Jahres 2019 angestrebt. Anschließend solle in einem weiteren Schritt Entsprechendes für die Gruppe der Spätaussiedler und jüdischen Kontingentflüchtlinge geprüft werden.
Der vorhergehende Fachbegriff der Rentenüberleitung kurz erläutert: Mit dem am 1. Juni 2017 vom Bundestag beschlossenen Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz soll die vollständige Angleichung der Renten in Ost- und Westdeutschland auf den Weg gebracht werden. Zum 1. Juli 2024 soll in Deutschland dann ein einheitlicher aktueller Rentenwert gelten.
Fabritius: „Spätaussiedler wollen angemessene Gleichbehandlung“
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, hat sich gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung zur Bundesratsentscheidung geäußert und dabei die oben erwähnte Härtefallprüfung kritisch bewertet. Der Bundesrat habe der Bundesregierung und damit dem für die Frage der Alterssicherung der Spätaussiedler zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen „inhaltlichen Prüfungsauftrag“ erteilt und „leitende Feststellungen getroffen, die deutlich über Formulierungen des Koalitionsvertrages zu der Beschlussthematik hinausgehen“. Er begrüße den Beschluss des Bundesrates sehr, unterstrich der Bundesaussiedlerbeauftragte. Seinen Einwand gegen die diesbezügliche Regelung im Koalitionsvertrag begründete Fabritius damit, dass diese hierzu „lediglich eine dem System der gesetzlichen Rentenversicherung völlig fremde ‚Härtefallprüfung‘“ fordere und daher „den Anforderungen an auch für Spätaussiedler zu schaffende Generationengerechtigkeit nicht genügt“. Sie gewährleiste nicht eine „gerechte Partizipation dieses Personenkreises an begrüßenswerten Plänen des Ressortministeriums zur angemessenen Berücksichtigung der Lebensleistung in der Rentenversicherung“ und werde nun zurecht durch den Handlungsauftrag des Bundesrates ergänzt.In seiner Erklärung äußerte Dr. Fabritius die Hoffnung, „dass dieser Handlungsauftrag umfassend und im Sinne der Bundesratsentscheidung kurzfristig umgesetzt wird“. Gleichzeitig warnte der Bundesaussiedlerbeauftragte mit Nachdruck vor „weiteren Relativierungen der Einstandspflicht und Einstandsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland für das Kriegsfolgeschicksal in seiner besonderen Ausprägung für anerkannte Spätaussiedler, die den irreversiblen Verlust der Heimat und damit verbunden einer lebensleistungsbezogenen und auf persönliche Beitragsleistung begründeten angemessenen Alterssicherung als Sonderopfer beinhaltet“. Spätaussiedler wollten „keine bessere Behandlung“, sondern forderten „angemessene Gleichbehandlung mit den Deutschen, denen das Sonderopfer des Verlustes der Heimat und der lebensleistungsbezogenen Alterssicherung als Kriegsfolge zum Glück erspart geblieben ist“. Es gehe um „ein Stück gesamtgesellschaftlicher Solidarität“, für die der Bundesrat sich auf Initiative des Freistaates Bayern und mit Unterstützung vieler Bundesländer deutlich ausgesprochen habe.
Wichtiger Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit
Einhellig positiv würdigten die Aussiedler- und Vertriebenenbeauftragten von Bund und Ländern die Entscheidung des Bundesrates zur Neubewertung der rentenrechtlichen Vorgaben für Spätaussiedler. Die niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Editha Westmann hatte die Landesregierung mit Erfolg gebeten, die länderübergreifende Initiative Bayerns im Bundesrat zu unterstützen. Westmann wertete den Bundesratsbeschluss als „wichtiges Signal der Länder für mehr Gerechtigkeit“. Die Bundesregierung sei nun aufgefordert, die von Altersarmut bedrohten „Landsleute stärker in den Fokus zu nehmen und konkrete Lösungen vorzunehmen“.Auch Hessens Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf begrüßte die Entscheidung in Berlin: „Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler.“ Die bayerische Initiative im Bundesrat sei ein großer Erfolg jahrelanger Anstrengungen vieler Beteiligter auf mehreren Ebenen. „Mein Dank gilt allen in Politik, Verbänden und Landsmannschaften Engagierten, die sich mit großer Ausdauer für eine Verbesserung der Lage von älteren Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern eingesetzt haben“, sagte Ziegler Raschdorf.
Bundesvorsitzender der Banater Schwaben lobt gemeinsame Resolution
Der aktuelle Bundesratsbeschluss nährt nicht zuletzt die tief wurzelnde Überzeugung, dass eine erfolgreiche Umsetzung des Anliegens gerechterer Spätaussiedlerrenten eines geschlossenen Handelns der landsmannschaftlichen Verbände bedarf. In diesem Sinne erklärte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter Leber, gegenüber der SbZ-Redaktion: „Der Beschluss des Bundesrates ist ein wichtiger Schritt, um mehr Rentengerechtigkeit für die Aus- und Spätaussiedler zu erreichen, die sich aufgrund ihres Kriegsfolgeschicksals in einer besonderen Situation befinden. Er hat gleichzeitig gezeigt, dass stetes Agieren in dieser Sache erfolgreich ist, wenn die landsmannschaftlichen Verbände gemeinsam auftreten und ihre Anliegen von Politikern aus ihren Reihen unterstützt werden, und hier denke ich besonders an den Bundesbeauftragten Dr. Bernd Fabritius. Es ist kein Zufall, dass der Antrag für diese Entschließung von der bayerischen Staatsregierung eingebracht worden ist. Es bleibt aber noch viel zu tun, auch für die Verbände. Die Unterschriftenaktion für unsere gemeinsame Resolution hat viele Mitglieder und Landsleute mobilisiert, wir machen weiter.“Wie die Siebenbürgische Zeitung berichtete, wenden sich die Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Deutschen aus Russland sowie der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland in einer gemeinsamen Resolution gegen die ungerechten Kürzungen im Fremdrentenrecht (siehe: Unterschriftensammlung: Spätaussiedlerbenachteiligung im Rentenrecht beenden!). Es liegen bereits rund 11.500 Unterschriften nicht nur von Mitgliedern der beteiligten Landsmannschaften, sondern auch von Nichtmitgliedern vor.
Christian Schoger
Entschließung des BdV zu Altersarmut bei Spätaussiedlern
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Gemeinsame Resolution: Spätaussiedlerbenachteiligung im Rentenrecht beenden!
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Gemeinsame FRG-Resolution hat große Resonanz
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