4. Juni 2015

Heimattag der gelebten Identität: 65. Pfingsttreffen der Siebenbürger Sachsen stark von der Jugend geprägt

Der 65. Heimattag der Siebenbürger Sachsen fand vom 22. bis 25. Mai 2015 unter dem Motto „Identität lohnt sich“ in Dinkelsbühl statt. Rund 26000 Besucher nahmen daran teil, so viele wie noch nie seit dem ersten Pfingsttreffen 1951. Rekordzahlen wurden auch beim Festumzug verzeichnet: 108 Gruppen mit weit über dreitausend siebenbürgisch-sächsischen Trachtenträgern. Wie der Bundesvorsitzende und BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB, Bayerns Landtagspräsidentin Dr. Barbara Stamm, der Forumsvorsitzende Dr. Paul Jürgen Porr und andere Redner feststellten, sei die siebenbürgisch-sächsische Identität Voraussetzung für eine sich voll entfaltende Persönlichkeit. Es war ein Heimattag der gelebten Identität und der Jugend, die voller Stolz und mit Leichtigkeit mitmachte. Besonders stark war diesmal der Begegnungscharakter des Heimattages mit vielen bewegenden Erlebnissen und Gesprächen. Ein attraktives, niveauvolles Kulturprogramm förderte das Geschichts- und Kulturbewusstsein, ein vielseitiges Angebot von Brauchtum, Tanz und Musik sprach die „sächsische Seele“ an, Reden und Diskussionen stellten Öffentlichkeit her, um Mitstreiter in der Politik zu gewinnen und die weltweite Vernetzung der Siebenbürger Sachsen zu festigen.
Der Heimattag stand im Zeichen des Erinnerns an die Russlanddeportation vor 70 Jahren sowie der 30-jährigen Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und dem Verband der Siebenbürger Sachsen. Diese beiden Schwerpunkte wurden in einer Gedenk- und Festveranstaltung in der St.-Pauls-Kirche am 23. Mai thematisiert. Peter Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, erinnerte an die rund 120000 Deutschen aus Südosteuropa, die im Januar 1945 zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert worden waren. Aus Siebenbürgen, dem Banat und anderen Teilen Rumäniens waren es über 70000 Deutsche, von denen fast 15000 ihr Leben lassen mussten. Die Reihen der Zeitzeugen hätten sich immer weiter gelichtet, es gelte, das Vermächtnis der ehemaligen Deportierten anzunehmen, betonte Leber. Es war ein Novum, dass ein Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben beim siebenbürgischen Heimattag sprach.

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Prof. Dr. Jürgen Walchshöfer, Altbürgermeister von Dinkelsbühl, wertete die 30-jährige Partnerschaft mit den Siebenbürger Sachsen als Erfolg und fragte, wie es der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen gelungen sei, „in einer veränderten Welt in solcher Stärke und mit solcher Begeisterung gerade der jungen Menschen zusammenzuhalten“. Seine Antwort: „Das Bewusstsein um die eigene Identität, die Liebe zur Heimat, die Bereitschaft, tradierte Werte weiter zu tragen, die Pflege bewährter Traditionen, alles das zusammen ist vermutlich das Erfolgsrezept.“ (Lesen Sie dazu einen separaten Bericht in der SbZ Online)
Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in ...
Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (hier an der Spitze des Festumzuges) gestaltete den Heimattag maßgeblich mit. Foto: Hans-Alfred Schüller (Don Alfredo)
Zahlreiche Parallelen zwischen dem Bibelgeschehen und der heutigen Zeit zog Dekan Hans Gerhard Gross im Pfingstsonntagsgottesdienst ebenfalls in der St.-Pauls-Kirche. In seiner tiefsinnigen Predigt zu 4. Moses 11, 11-12, 14-17, 24-25, sprach er über Moses, der sich beim Auszug aus Ägypten von der überschweren Last seines Amtes erdrückt fühlte und vor Gott klagte. „Eine Krise bietet die Chance, sich weiterzuentwickeln“, sagte Dekan Gross. So wurde die Verantwortung auf siebzig Männer verteilt, die Moses ausgesucht hatte. „Welch eine Befreiung, von Gottes Geist zu hören, der Menschen in Bewegung bringt. Gottes Geist macht Menschen mündig“, so Gross. „Der Geist Christi kommt hernieder an die Stätten des Mühsals. […] Er richtet auf und macht aus Niedergeschlagenen Aufrechte. Er belebt und macht aus Todgeweihten unendlich Getröstete.“ So sei das vor 70 Jahren geschehen, als Tausende nach Russland verschleppt wurden, und so geschehe es auch heute mitten unter uns.

Dechant Heinz Dietrich Galter beim Pfingstgruß ...
Dechant Heinz Dietrich Galter beim Pfingstgruß vor der Schranne. Foto: Don Alfredo
Einen Pfingstgruß seitens der Heimatkirche übermittelte Dechant Heinz Dietrich Galter aus Neppendorf. Er sagte, dass Identität einem ständigen Wandel unterliege, sie bräuchte eine ständige Vergewisserung und Rückbesinnung auf die eigene Vergangenheit und gelebte Geschichte, „aber auch eine Neuausrichtung durch die Auseinandersetzung mit der Gegenwart für die Zukunft“. Dechant Galter dankte allen Verantwortlichen, die sich für die Siebenbürger Sachsen engagieren, dankte aber auch der Großmutter, die mit ihrem Enkel Sächsisch redet und ihm etwas von ihrer Identität weitergibt. Er sprach von den großen Veränderungen in Rumänien, vom „Johanniswunder“, dem Siebenbürger Sachsen, der sich einer immensen Aufgabe für sein Land gestellt habe. Es sei kein leichter Weg, den Rumänien gehen müsse. So äußerte Dechant Galter den Wunsch, „dass die wenigen, die die Deportation vor 70 Jahren mitgemacht haben und heute noch leben, endlich in den Genuss ihrer versprochenen Rechte kommen und nicht von den staatlichen Behörden mit fadenscheinigen Argumenten weiter hingehalten werden.“ Er lud dazu ein, Heimattreffen in Siebenbürgen zu planen, um auch der jungen Generation die Gelegenheit zu geben, ihre eigene Geschichte anschaulich und bewusst zu erleben und damit ihre Identität zu festigen.

Ehrengäste aus Politik und Gesellschaft

Bei der Festkundgebung vor der Schranne begrüßte der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius, MdB, Präsident des Bundes der Vertriebenen, zahlreiche Gäste, darunter Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtages, den Dinkelsbühler Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer, als Vertreter Rumäniens den Präsidialberater mit Ministerrang, Sergiu Nistor, sowie die Gesandte Rumäniens in Berlin, Adriana Stănescu, und den Generalkonsul in München, Anton Niculescu, den Vizeaußenminister Kanadas, Dr. Peter Boehm, den Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, Werner Hans Lauk, den Bundestagsabgeordneten Artur Auernhammer, die Landtagsabgeordneten Werner Jostmeier (NRW) und Manuel Westphal (Bayern), die Stellvertreterin des Bezirkstagspräsidenten von Mittelfranken und Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates, Christa Naaß, den Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Prof. Dr. Paul Jürgen Porr, und alle Vertreter des DFDR-Vorstandes, die fast vollzählig – das ist ein Novum – an unserem Heimattag teilnahmen, den Bundesvorsitzenden aus Österreich, Magister Volker Petri, Dechant Dietrich Galter als Vertreter der Heimatkirche, den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreisträger 2015, Prof. Dr. Paul Philippi, den Ehrenvorsitzendes des Verbandes, Dr. Wolfgang Bonfert, u.a.
Festredner und Ehrengäste auf dem Weg zur ...
Festredner und Ehrengäste auf dem Weg zur Tribüne, erste Reihe, von links: Dr. Peter Boehm, Vizeaußenminister Kanadas, Bundesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius, Bayerns Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Forumsvorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr und Dinkelsbühls Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer. Foto: Siegbert Bruss

Forderungen an Deutschland und Rumänien

Für eine Weiterentwicklung der Kultur und sozialen Identität sprach sich Dr. Bernd Fabritius in seiner Festansprache aus. Er bekundete seine Freude über die sehr vielen jungen Menschen, die am farbenprächtigen Festumzug teilgenommen haben. Identität lohne sich für die Gemeinschaft und für jeden Einzelnen, „weil jeder von uns tief in seinem Herzen einen siebenbürgischen Schatz trägt“. „Denn keiner unter uns lebt zufrieden und glücklich, wenn er diesem Teil seiner Persönlichkeit den Raum zur Entfaltung vorenthält“, betonte Fabritius, der seit November 2014 auch Präsident des Bundes der Vertriebenen ist. Er zeigte sich dankbar für die vielen Mitstreiter und Fürsprecher, die die Siebenbürger Sachsen in der Gesellschaft finden, stellte aber auch eine Reihe von Forderungen an Deutschland und Rumänien, um die Kultur zu fördern, Zwangsarbeiter zu entschädigen oder enteignetes Vermögen zurückzugeben (die Ansprache wurde in der SbZ Online dokumentiert).

Barbara Stamm, MdL, Präsidentin des Bayerischen Landtags, würdigte in ihrer Festrede den Beitrag des landsmannschaftlichen Verbandes zum Erhalt und zur Weitergabe der siebenbürgisch-sächsischen Kultur an die junge Generation. Es sei Aufgabe der Politik, diese deutsche Kultur zu unterstützen: „Bayern war, ist und bleibt der verlässliche Partner der Siebenbürger Sachsen.“ Die CSU-Politikerin zeigte sich zuversichtlich, dass Klaus Johannis seinen Gestaltungsspielraum als Präsident Rumäniens weiterhin bestmöglich nutzen und noch sehr viel Positives für sein Land bewirken werde (lesen Sie die Ansprache in der SbZ Online).

Europäische Werte seit Jahrhunderten gelebt

Wie sich die Identität der Siebenbürger Sachsen im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat und doch im Wesen erhalten geblieben ist, zeigte Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, auf. Überall in der Welt, ob in Siebenbürgen oder in anderen Ländern lebend, hätten sich die Siebenbürger Sachsen vielfach behauptet, integriert, ohne auf ihre Identität zu verzichten. Herausragendes Beispiel sei Klaus Johannis: „Wir sind Präsident“, Identität lohne sich, fügte Porr hinzu. Das europäische Gedankengut, das friedliche interkonfessionelle und interethnische Zusammenleben, sei in Siebenbürgen seit dem Mittelalter gelebt worden. Auch heute setzten sich die Siebenbürger Sachsen im vereinten Europa nach Kräften für ein friedvolles Miteinander ein (siehe Festrede in der SbZ Online).

Positiver Einfluss der Heimatortsgemeinschaften

Bei der Eröffnung des Heimattages am 23. Mai im Schrannenfestaal konnte Hans Gärtner, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften, zahlreiche Gäste aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft begrüßen. „Das Einbinden der Heimatortsgemeinschaften als Mitgestalter des Heimattages hat einen positiven Einfluss auf unsere Gemeinschaft“, sagte Hans Gärtner. Diese Aussage sollte sich im Laufe des Pfingstwochenendes bewahrheiten. So brachte sich das Zwischenkokelgebiet als Mitausrichter des Heimattages mit viel Initiativgeist und Begeisterung in viele Veranstaltungen ein, um vorneweg nur zwei zu erwähnen: Die HOG Schönau stellte einen der schönsten Bräuche Siebenbürgens, das Rinnenfest, vor. In der Brauchtumsveranstaltung am Samstagnachmittag wurde die Tradition der Hochzeiten aus mehreren Orten des Zwischenkokelgebietes vorgeführt – einer der emotionalen Höhepunkte des Heimattages (lesen Sie Berichte über die Brauchtumsveranstaltung und weitere Programmpunkte des Zwischenkokelgebietes in der Folge 10).

Erfolgreiche Partnerschaft der Stadt Dinkelsbühl mit dem Verband

Dr. Christoph Hammer, Oberbürgermeister der Stadt Dinkelsbühl: sagte, dass wir unsere Identität und Wurzeln in der Geschichte unserer Vorfahren, unserer Familien und deren Lebenswelt finden. Das Wissen um die Vergangenheit befähige uns, mit Menschen anderer Kulturkreise und Länder zusammenzuleben. Der CSU-Politiker äußerte die Hoffnung, dass sich die „höchst unzufriedene politische Situation in Schäßburg“ verbessern werde, um die zehnjährige Städtepartnerschaft Dinkelsbühl – Schäßburg 2016 gemeinsam feiern zu können. Vor dreißig Jahren, am 25. Mai 1985, wurde die Partnerschaft zwischen der Stadt Dinkelsbühl und der Landsmannschaft vereinbart mit dem Ziel, „die gewachsenen Beziehungen zu festigen und zu fördern“. Rückblickend verkündete Dr. Hammer freudig: „Das Ziel ist uns allen bestens gelungen. Eine Identität, die sich gelohnt hat und die sich lohnt.“ (Siehe Ansprache in der SbZ Online.)

„Patenminister“ Thorsten Klute, Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, würdigte den Geist der Versöhnung, der den Heimattag trage und der sich täglich in der Arbeit der Siebenbürger Sachsen zeige. Seitens des Landes Nordrhein-Westfalen, das 1957 die Patenschaft für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen übernommen hatte, sicherte der SPD-Politiker zu: „Wir möchten gerne Ihre Partner bleiben und sein.“ Das Land unterstütze die Siebenbürger Sachsen institutionell, durch Zuschüsse für ihre Geschäftsstellen in München und Düsseldorf und fördere in diesem Jahr auch ein Projekt für deutsche Lehrkräfte in Siebenbürgen (lesen Sie die Festansprache in der SbZ Online).

Norbert Kartmann: „Europäer müssen Rumänien ernst nehmen“

Der Präsident des Hessischen Landtags, Norbert Kartmann, der väterlicherseits aus Hetzeldorf in Siebenbürgen stammt, betonte, dass die Siebenbürger Sachsen als ein Teil der Heimatvertriebenen mit der Charta der Heimatvertriebenen von 1952 ein Bekenntnis zum Frieden in Europa abgelegt hätten, und das kurz nach ihrer Befreiung. Das sei eine großartige Leistung, die den Friedensnobelpreis verdient habe, sagte der CDU-Politiker. Er berichtete über den Informationsbesuch einer Delegation der deutschen Minderheit in Rumänien in Hessen und kündigte eine Informationsreise des Hessischen Landtags nach Rumänien an. „Wir müssen als Europäer Rumänien ernst nehmen als Stabilisator für diesen Teil Europas“, sagte Kartmann.

Grüße von Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis übermittelte dessen Berater für Kultur, Sergiu Nistor. Er würdigte die siebenbürgisch-sächsische Zivilisation als Vorbild für Europa und „originelles Paradigma der Wahrnehmung des Kulturerbes als Ursprungs- und Entwicklungsmodell“. Das multikulturelle Erbe Siebenbürgens bezeichnete Präsidialberater Sergiu Nistor als großen Segen für Rumänien und einen Schatz, der beim Heimattag in Dinkelsbühl „in seiner ganzen Lebendigkeit zum Ausdruck gebracht“ werde (siehe Ansprache in der SbZ Online).

Peter Boehm: „Wir Siebenbürger Sachsen sind doch wirklich überall“

Dr. Peter Boehm, Staatssekretär im kanadischen Außenministerium, Vizeaußenminister Kanadas, übermittelte ein Grußwort seitens der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada.

Kanadas Vizeaußenminister Dr. Peter Boehm und ...
Kanadas Vizeaußenminister Dr. Peter Boehm und Sohn Alexander vor der Festtribüne. Foto: Lukas Geddert
Er stellte erfreut fest: „Wir vom siebenbürgisch-sächsischen Stamm sind doch wirklich überall zu finden, wir leben und arbeiten in Dinkelsbühl, in Ottawa, im Hessischen Landtag, in Cleveland, Drabenderhöhe, auf der Rockbühne oder auch im Präsidentenpalast in Bukarest. Für uns zahlt es sich aus, eine eigene Identität zu haben!“ Dr. Boehm berichtete über das siebenbürgisch-sächsische Selbstverständnis in seiner Familie und in Kanada im Allgemeinen. 1969 habe er zusammen mit seinen Eltern und seinem Großvater, dem letzten „Hann“ von Draas, Rumänien erstmals besucht. „Als ich 2010 während meiner Zeit als kanadischer Botschafter eine ähnliche Reise mit meiner Familie aus Berlin unternahm, sah die europäische Welt ganz anders aus. Meine Kinder wollten das Land ihrer Großeltern, das Land meiner Eltern, sehen und erleben. (…) Ob Kirchenburgen, Berge, Bauernhöfe, Friedhöfe – wir waren überall. Mein Sohn Alexander ist heute mit mir hier, er ist aus Budapest angereist, wo er jetzt lebt. Anfang dieses Monats war er in Schäßburg, Măgura und Hermannstadt. Warum? Er ist stolz auf seine Identität, weil sie sich für ihn auszahlt und sein Leben bereichert.“

DFDR-Vorsitzender Dr. Paul Jürgen Porr gratulierte in seinem Grußwort zum Jubiläum des Heimattages, der seit 1951 alljährlich zu Pfingsten in Dinkelsbühl stattfindet: „65 Jahre waren Trachtenaufzüge und Festreden, abwechslungsreiche Kulturprogramme und Sportveranstaltungen bei diesen Heimattagen nicht wegzudenken. Seit 1990 durften auch wir, die ‚Zurückgebliebenen‘, daran teilnehmen und wir haben das auch gerne und oft getan. Diese romantische fränkische freie Reichsstadt hat es Ihnen angetan.“ Porr dankte den Bewohnern Dinkelsbühls für „die vorzügliche Gastfreundschaft“. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien habe kürzlich sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. Die aus diesem Anlass verliehene Jubiläumsmedaille überreichte Dr. Porr an den Bundesvorsitzenden Dr. Bernd Fabritius und Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer als Vertreter des Verbandes und der Stadt Dinkelsbühl.

Volker Petri: Wir leben in dritter Generation ursprüngliche Identität

Hofrat Magister Pfarrer Volker Petri, Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, verwies darauf, dass die Siebenbürger Sachsen seit 1944, seit 71 Jahren, schon in dritter Generation in Österreich leben. „Viele von uns haben sich in Wohlstand und in der Moderne assimilieren lassen. Aber sehr viele – da staunen wir – leben in diesen neugebauten Siedlungen, rund um ihre neugebauten evangelischen Kirchen, in Nachbarschaften noch ursprüngliche Identität. Wir fühlen uns auch heute in zweiter, dritter Generation verbunden mit der Geschichte und Landschaft Siebenbürgens. […] Wir sind in Österreich keine Fremden, Entfremdete, Identitätslose, sondern leben heute unsere neugeschenkte und erarbeitete Identität als nun österreichische Siebenbürger Sachsen. Wir fanden neue Wege in die Zukunft und gehen zuversichtlich unseren Weg in und mit der großen weltweiten Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen, als deren Teil wir uns fühlen.“

Schon zum zweiten Mal in Folge nahm Werner Hans Lauk, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, am Heimattag in Dinkelsbühl teil. In seinem Grußwort, das er beim Empfang des Bürgermeisters am Samstagabend vortrug, sagte Lauk, dass Identität kein statischer Begriff sei. „Vielmehr muss kulturelle und sprachliche Identität in der Generationenfolge immer wieder weitergegeben, neu begründet und fortentwickelt werden“, betonte Lauk. Als wichtiges Element der Identität erwähnte der Botschafter die deutsche Sprache. Auf Initiative des Deutschen Bundestages soll die Situation der Lehrkräfte im deutschsprachigen Schulwesen Rumäniens verbessert werden. Lauk rief die Siebenbürger Sachsen auf, sich als Lehrkraft in Rumänien zu engagieren (siehe Rede in der SbZ Online).

Niveauvolles Programm

Zum niveauvollen Programm des Heimattages gehörten u.a. Ausstellungen, Konzerte, Tanzveranstaltungen, die Podiumsdiskussion zum Thema „Repräsentation und Interessenvertretung“, die Rede an der Gedenkstätte und – als kultureller Höhepunkt – die Preisverleihungen am Pfingstsonntag in der St.-Pauls-Kirche. Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis 2015 ging an den Musiker Peter Maffay (in Abwesenheit) und den Theologen, Kulturhistoriker und Politiker Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Philippi. Mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen ­Jugendpreis wurde der Deutschsprachige Studentenverein Gutenberg Klausenburg ausgezeichnet.
Kulturpreisträger Paul Philippi wurde mit ...
Kulturpreisträger Paul Philippi wurde mit stehendem Applaus gewürdigt. Foto: Konrad Klein
Es war auch ein Heimattag der Versöhnung, als Paul Philippi mit dem Kulturpreis ausgezeichnet und von den Besuchern in der St.-Pauls-Kirche mit stehendem Beifall gewürdigt wurde. Der Hermannstädter Theologieprofessor stellte sich danach in einem knapp halbstündigen Interview den Fragen der jungen Bettina Mai für Siebenbuerger.de, die Internetpräsenz des Verbandes, auf der der Heimattag 2015 vorbildlich dokumentiert wird. Es klingt starke Heimatverbundenheit mit, wenn Philippi bedauert, wie wenige in Siebenbürgen geblieben sind, und seine Hoffnungen auch auf die stärkere Gemeinschaft in Deutschland richtet. Ebenso plädierte er in der Podiumsdiskussion am Pfingstmontag dafür, Schloss Horneck als Marke der Siebenbürger Sachsen so lange wie möglich hochzuhalten.

Ebenfalls im Gespräch für Siebenbuerger.de stellte der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius fest: „Identität lohnt sich, wir sind wer! Es ist ein Beitrag gegen Vereinsamung in einer globalisierten Welt.“ Der Bundesvorsitzende war übrigens präsent an vielen Brennpunkten des Heimattages. So präsentierte er am Samstagmorgen das Buch „Primul pas“ (Der erste Schritt) von Staatspräsident Klaus Johannis – praktisch zeitgleich mit der Vorstellung des Buches auf der Bukarester Buchmesse. Die Michael Schmidt Stiftung setzte sich dafür ein, dass nicht nur dieses zweite Buch des Staatsoberhauptes in Dinkelsbühl vorgestellt und verkauft wurde, sondern dass auch 200 Exemplare des ersten Buches Johannis’ „Pas cu pas“ (2014) beim Empfang des Bürgermeisters verschenkt wurden. Erwähnenswert ist auch der Einsatz der Carl Wolff Gesellschaft (CWG), des Siebenbürgischen Wirtschaftsclubs in Deutschland, die am Samstag eine Vortragsreihe und eine Podiumsdiskussion über die wirtschaftlichen Perspektiven, die sich nach den neuen politischen Entwicklungen in Rumänien ergeben, veranstaltete. Die CWG und die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland besiegelten beim Heimattag eine Kooperation. Geplant sind gemeinsame Seminare und Angebote für die SJD-Mitglieder, die eine wirtschaftliche Ausrichtung haben.

Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates, stellte im Katholischen Pfarrheim die Neuerscheinungen des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde und des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas vor. Es sind Bücher, die den vergänglichen Alltag überdauern und unsere Kultur dokumentieren. Ein legitimes und lobenswertes Anliegen, das von vielen Ehrenamtlichen getragen und mit staatlicher Förderung umgesetzt wird.

Reinhold Kraus, Vorsitzender der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins, leitete über zur Ausstellung „Von der Schönheit dieser Welt“ mit Fotoimpressionen, die Karin Scheiner auf ihren beiden Weltreisen mit ihrem Mann Egin Scheiner eingefangen hat. Diese äußeren Eindrücke haben sie zugleich innerlich bereichert: „Der kürzeste Weg zu dir selbst führt um die Welt“, stellte Karin Scheiner fest.

Deutsche Minderheit als Katalysator und Brückenbauer

In die Ausstellung „Die deutsche Minderheit in Rumänien – Geschichte und Gegenwart im vereinigten Europa“ führte anschließend Dr. Paul Jürgen Porr, Vorsitzender des Landesforums, ein. Es sollte keine Nabelschau sein, auch wenn die Ausstellung vom DFDR und der Deutschen Botschaft in Bukarest konzipiert wurde. Vielmehr sollte die Wanderausstellung dem andersnationalen Umfeld in Rumänien und dem Publikum in Deutschland vermitteln, was die deutsche Minderheit in Rumänien bewirkt habe, sagte Porr. „Unsere Minderheit ist auf weniger als 40000 Personen geschrumpft, so dass wir nur eine Katalysatoren-Funktion übernehmen können. Diese Aufgabe nehmen wir tatsächlich wahr und ebenso füllen wir die Brückenfunktion in den deutsch-rumänischen Beziehungen mit Leben.“ Die Wanderausstellung wurde im März aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des DRFR in Hermannstadt eröffnet und wird nach dem Heimattag in Dinkelsbühl auch in Wiesbaden, München und Berlin Station machen.

Das Zwischenkokelgebiet präsentiert sich

Die Ausstellung „Einblicke ins Zwischenkokelgebiet“ (Einführung: Martin Rill) zeigte in einem ersten Teil das dingliche Kulturgut der Region, Gebrauchsgegenstände des Alltags, Trachten und vor allem Exponate des Weinbaus sowie alte Aufnahmen, die mitwirkende Gemeinden zur Verfügung gestellt hatten und die unter Anleitung von Sunnhild Walzer ausgestellt wurden. Im zweiten Teil wurden hervorragende Denkmäler in ihrer regionalen und ethnischen Umwelt auf Rollups präsentiert. Zum Abschluss der Ausstellung hielt Helmut Gaber einen Vortrag zum Thema Weinbau im Gebiet zwischen der Kleinen und Großen Kokel.

Hofrat Dipl.-Ing. Walter Schuller hielt einen Vortrag zum Thema „Die Dreizehn Dörfer. 100 Jahre Rechts- und Kampfgemeinschaft gegen Adelswillkür“. Neben den freien sächsischen Städte und Gemeinden auf dem Königsboden gab es u.a. die sogenannten „Dreizehn Dörfer“ des Zwischenkokelgebietes auf Komitatsboden: Felldorf, Irmesch, Johannisdorf, Kleinalisch, Kleinlasseln, Maldorf, Maniersch, Marienburg, Nadesch, Reußdorf, Rode, Zendersch und Zuckmantel. Deren halbfreie Bewohner waren Willkür, Folter und Fronarbeit ausgesetzt und wehrten sich mit Prozessen und Rebellion. Am Ende seines sehr informativen Vortrages stellte Walter Schuller fest: „Nach einem hundertjährigen Kampf der Notgemeinschaft der Dreizehn Dörfer, der viel Schweiß, Blut und Tränen den geknechteten Bauernstand gekostet hatte, gelang es ihm endlich, das Joch des madjarischen Adels abzuwerfen und Freibauern zu werden.“

Freiheitssuche als aktuelles Thema

Dass Freiheit ein kostbares Gut ist, das immer wieder neu errungen werden muss, zeigte der Film „Freiheit in Kinderschuhen“ von Uwe Pelger und Joachim Stall. Ziel des Dokumentarfilmes, der die innere Zerrissenheit und Freiheitssuche der Siebenbürger Sachsen während des Kommunismus veranschaulicht, ist es, den Dialog mit Jung und Alt über Werte wie Demokratie und Freiheit zu fördern (siehe Filmbespreching in der SbZ Online). Die Wortmeldungen nach der Filmvorführung zeigten, wie stark dieses Thema die Siebenbürger Sachsen auch heute bewegt. Unter der Moderation von Hildegard Kijek standen Dr. Bernd Fabritius, MdB, und Uwe Pelger Rede und Antwort.

Gelebte Identität in Dinkelsbühl

Das Motto des Heimattages, „Identität lohnt sich“, wurde nicht nur, wie oben erwähnt, in Reden und Vorträgen vielfach gedeutet, sondern Identität wurde am Pfingstwochenende auch überall gelebt, auf den Straßen Dinkelsbühls oder auf dem Siebenbürger Markt im Spitalshof, beim Feiern im Festzelt oder in der Schranne, auf dem Sportplatz oder in den Sälen, wo Vorträge gehalten oder Ausstellungen gezeigt wurden, und vor allem in den Herzen der über 3 000 Trachtenträger und über 300 jugendlichen Tänzer vor der Schranne und dem Altrathausplatz.
Weit über 3000 Trachtenträger nahmen am Festumzug ...
Weit über 3000 Trachtenträger nahmen am Festumzug teil, darunter 13 Brautpaare, hier jenes von der HOG Rode, die zu den Mitausrichtern aus dem Zwischenkokelgebiet gehört. Foto: Petra Reiner
Ines Wenzel, die den Festumzug zusammen mit Helge Krempels sachkundig und informativ moderierte, hob als Besonderheit des diesjährigen Umzuges die 13 Brautpaare hervor, die von den Heimatortsgemeinschaften, vor allem jenen aus dem Zwischenkokelgebiet, gestellt wurden. Gekrönt wurde das Ganze von den stilechten Hochzeitszügen aus Rode und Großau. Als neue Trachtengruppen wurden in diesem Jahr Bogeschdorf, Nadesch, Rauthal, Großlasseln, Malmkrog und Denndorf begrüßt. Erwähnenswert seien auch der Schönauer Rinnenwagen sowie die drei Gastgruppen aus Österreich (Mattigtal, Wels, Traun), erklärte Ines Wenzel gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung.

Die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland gestaltete in bewährter Weise die Volkstanzveranstaltung „Aus Tradition und Liebe zum Tanz“, präsentierte den Nachwuchs in der Schranne und zeichnete verantwortlich für die Sportturniere, beste Partystimmung im Festzelt und vieles mehr. Der Heimattag 2015 wird in weiteren Berichten in den Folgen 9 und 10/2015 der Siebenbürgischen Zeitung sowie in der Online-Ausgabe dokumentiert.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Heimattag 2015, Dinkelsbühl, Kultur, Brauchtum, SJD, Verband, HOG

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