16. April 2019

Unterschriftensammlung für Rentengerechtigkeit: Unsere Bürgerstimmen erreichen Berlin

München – Sechs voluminöse Ordner mit insgesamt 32 395 gesammelten Unterschriften für die Resolution „Spätaussiedlerbenachteiligung beenden“ sind am 10. April per Kurier dem Bundeskanzleramt in Berlin zugestellt worden. Damit ist jedoch die gemeinsame Unterschriftenaktion des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Landsmannschaft der Banater Schwaben sowie der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland nicht beendet. Weiterhin eingehende Unterschriften werden nachgereicht. Das Fazit fällt positiv aus. Die zum Jahreswechsel gestartete landsmannschaftsübergreifende Initiative mit dem Ziel, die Situation der Spätaussiedler im Rentenrecht zu verbessern, erreichte eine beachtliche Mobilisierung. Auch aus organisatorischer Sicht war der Verlauf erfolgreich. Unser Verband registriert als Effekt der gemeinsam getragenen Resolution eine intensivierte Kooperation der landsmannschaftlichen Verbände.
Das den Ordnern beigefügte Begleitschreiben ist namentlich adressiert an den Chef des Bundeskanzleramtes Dr. Helge Braun (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben, und von den drei Bundesvorsitzenden Herta Daniel für den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Peter-Dietmar Leber und Johann Thießen seitens der Landsmannschaft der Banater Schwaben bzw. der Deutschen aus Russland gezeichnet.

Warnung vor „Politik- und Unionsverdrossenheit“

Das Schreiben vermerkt kritisch, dass in der schriftlichen Stellungnahme des Bundeskanzleramtes vom 27. Februar 2019 (Spätaussiedlerrente: Bundeskanzlerin Merkel will Ausgleich durch Fondslösung) hingewiesen werde auf die „Koalitionsvereinbarung, die bekanntlich von den Wahlversprechen der CDU/CSU abweicht“. Die Bundesvorsitzenden monieren: „Unser Personenkreis empfindet die Preisgabe von Wahlversprechen gerade in diesem Punkt als nicht angemessen, was durchaus zu einer langfristig wirkenden Politik- und Unionsverdrossenheit führen kann, die unserer Ansicht nach unbedingt vermieden werden muss!“ Dagegen wird die Entscheidung des Bundesrates gelobt, dem Entschließungsantrag des Freistaates Bayern zur Neubewertung der rentenrechtlichen Vorgaben für Spätaussiedler zu folgen und die Bundesregierung zur Prüfung und zum Ausgleich bestehender Nachteile aufzufordern (siehe Bundesrat stimmt für Antrag zur Angleichung der Spätaussiedlerrenten). In der Hoffnung, „dass den Anliegen deutscher Aussiedler und Spätaussiedler künftig auch sichtbar wieder mehr Bedeutung beigemessen wird“, ersuchen die Bundesvorsitzenden um einen „möglichst zeitnahen“ Gesprächstermin.

Internetbasierte Gemeinschaftsleistung

Die in der dreimonatigen Aktion gesammelten über 32 000 Unterschriften füllen sechs Leitz-Ordner. Noch am 4. April hat der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben, Peter-Dietmar Leber, zwei Ordner mit Tausenden von Unterschriften in die Bundesgeschäftsstelle unseres Verbandes in München gebracht. Da lagen bereits zwei Ordner vergleichbaren Volumens mit Unterschriftenlisten der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland vor. Die Sammlung komplettieren weitere zwei Ordner unseres Verbandes einschließlich der auf der Verbands-Homepage www.siebenbuerger.de online abgegebenen Unterschriften. Summa summarum beläuft sich die Gesamtzahl der Unterstützer der Resolution „Spätaussiedlerbenachteiligung beenden“ auf 32 395.
Parat zur Abholung durch den Kurierdienst: Die ...
Parat zur Abholung durch den Kurierdienst: Die sechs Ordner mit den insgesamt 32 395 Unterschriften, gemeinsam gesammelt vom Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Landsmannschaft der Banater Schwaben sowie der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Auf dem Bild sind zu sehen (von links) die Geschäftsführerin des Verbandes Ute Brenndörfer, der Stellvertretende Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung Christian Schoger sowie Buchhalterin und Assistentin der Bundesgeschäftsführung Sigrid Schnell. Foto: Siegbert Bruss
Nach Abschluss der Aktion zieht Verbandsgeschäftsführerin Ute Brenndörfer ein positives Resümee: „Das gemeinsame Ziel der Resolution hat die Zusammenarbeit der Landsmannschaften der Banater Schwaben, der Deutschen aus Russland und der Siebenbürger Sachsen intensiviert und die Beziehungen untereinander gestärkt.“ So habe man in regelmäßigem Kontakt gestanden mit den Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Russlanddeutschen.

Die Bundesgeschäftsstelle konnte das systematische Erfassen und Ordnen der Tag für Tag postalisch eingegangenen Unterschriften unserer Landsleute auch dank ehrenamtlicher Unterstützung gut bewältigen. Besonderes Augenmerk habe man insbesondere auf die internetbasierte Projektumsetzung gelegt, erklärt die seit dem 1. Februar dieses Jahres amtierende Geschäftsführerin gegenüber der Redaktion dieser Zeitung: „Wir konnten für unsere Leser immer aktuelle Zahlen auf unserer Homepage bereitstellen. Unsere Webmaster haben die Möglichkeit für die Online-Unterschriften geschaffen und die Ergebnisse aller Unterschriften in Zahlen und grafisch dargestellt.“ Froh über den gelungenen Verlauf ergänzt die gebürtige Hermannstädterin: „Wir danken von Herzen allen, die ihre Unterschrift geleistet haben, und allen fleißigen Helfern, die uns unterstützt haben.“

Fabritius für abzugsfreie Rentenleistung aus Herkunftsgebieten

Die Unterschriftensammlung ist wie die verbandspolitische Mission zum Fremdrentengesetz nicht abgeschlossen. Nach dem Votum des Bundesrates vom 15. Februar ist nun die Bundesregierung am Zug, Rentengerechtigkeit wiederherzustellen. Zur Umsetzung der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, „für Härtefälle in der Grundsicherung im Rentenüberleitungsprozess einen Ausgleich durch eine Fondslösung zu schaffen“, die analog auch für die Gruppe der Spätaussiedler und jüdischen Kontingentflüchtlinge Anwendung finden soll, wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe etabliert. Diese soll ab kommendem Jahr eine solche Fondslösung prüfen. Das hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage der Siebenbürgischen Zeitung mitgeteilt (vgl. Aussiedlerrente: Bundesarbeitsministerium erwägt Härtefallprüfung).

Erhebliche Einwände gegen die von der Bundesregierung anvisierte Härtefallprüfung hat der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius (CSU). „Eine dem System der gesetzlichen Rentenversicherung völlig fremde ‚Härtefallprüfung‘“ genüge nicht den „Anforderungen an auch für Spätaussiedler zu schaffende Generationengerechtigkeit“. Sie gewährleiste keine „gerechte Partizipation dieses Personenkreises an begrüßenswerten Plänen des Ressortministeriums zur angemessenen Berücksichtigung der Lebensleistung in der Rentenversicherung“.

Stattdessen bringt der Aussiedlerbeauftragte und amtierende Präsident des Bundes der Vertriebenen einen eigenen Lösungsvorschlag in die politische Debatte ein. In einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (4. April 2019) sagte der frühere Verbandspräsident des Verbandes der Siebenbürger Sachsen: „Wenn Betroffene eine Rentenleistung aus den Herkunftsgebieten durchsetzen können, sollte diese nicht mehr wie heute zu 100 Prozent von der deutschen Rente abgezogen werden, sondern als Ausgleich für Zusatzaufwand und Kürzungen bei den Betroffenen verbleiben. Zudem sollte man die derzeitige zusätzliche Deckelung der Renten für Spätaussiedler beseitigen.“ Als „politischer Realist“ wisse er, dass man die gesamten Einschnitte der 1990er Jahre „nicht umfassend wird zurücknehmen können“, räumte Fabritius ein. Es sei allerdings wichtig, „dass man Spätaussiedler im Rentensystem uneingeschränkt der angestammten Bevölkerung gleichstellt“, damit nicht der Eindruck bestehen bleibe, sie seien „eigentlich nur zweiter Klasse integriert“, unterstrich der Beauftragte der Bundesregierung.

Beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 9. April in Berlin (siehe Bundeskanzlerin Merkel spricht bei Jahresempfang des BdV) versprach Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel eine persönliche Prüfung der sozialen Absicherung von Spätaussiedlern im Alter. Sie habe Verständnis für die seitens der Betroffenen deutlich gewordene Unzufriedenheit mit den Koalitionsvereinbarungen. Anknüpfend an den Verweis von BdV-Präsident Fabritius auf die für die Rentenkassen vorteilhafte Altersstruktur der Spätaussiedler befand Kanzlerin Merkel: „Ihre Zahlenangaben waren nicht ohne jede logische Relevanz (…), was den demografischen Aufbau der Gruppe der Spätaussiedler anbelangt. Ich werde mir das daher noch einmal sehr genau anschauen“.

Ob, wie und wie bald die Bundesregierung die seit einem Vierteljahrhundert bestehende rentenrechtliche Benachteiligung der Spätaussiedler beseitigt und zügig für soziale Gerechtigkeit sorgt? Der Verband der Siebenbürger Sachsen wird in konsequenter Wahrnehmung der Interessen aller Spätaussiedler den anstehenden Klärungsprozess wachsam und kritisch beobachten.

Christian Schoger




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